Entwicklungshilfeprojekt der Rover Atsch in Ibagué, Kolumbien

Gruppenfoto Rover Atsch (deutsche Teilnehmer), auf Hochplateau, von hinten links: Simon Mertens, Spartak Zimmermann, Philipp Odinius, Marcel Hohensee, Michael Esser; Vorne, v.l.n.r.: Peter Schroeder, Kathrin von der Heiden
Gruppenfoto Rover Atsch (deutsche Teilnehmer), auf
Hochplateau, von hinten links: Simon Mertens, Spartak
Zimmermann, Philipp Odinius, Marcel Hohensee, Michael Esser;
Vorne, v.l.n.r.: Peter Schroeder, Kathrin von der Heiden

Die Rovergruppe Atsch der DPSG war diesen Sommer, als andere Urlaub machten, nahe der kolumbianischen Hauptstadt Bogota unterwegs, um ein Haus für Menschen mit Behinderungen zu bauen. Die Bauarbeiten gestalteten sich zunächst schwierig, denn es regnete und die Erde verwandelte sich in Matsch, zudem war das tropische Klima ungewohnt. Von acht Uhr morgens bis 18 Uhr abends schuftete die Gruppe bei jedem Wetter für den guten Zweck, nur unterbrochen durch eine Mittagspause aus Hitzegründen. Nach Feierabend duschen? Fehlanzeige. Lediglich der nahegelegene Fluss diente als Wasserquelle. Nach dem Baden im Naturwasserpool bekamen die Pfadfinder jedoch Probleme mit dem Magen. Zumindest war die medizinische Versorgung gut. Ein Ausflug zu den Thermalquellen in den Bergen konnte leider nicht mit einer Übernachtung erfolgen, da die dortigen Hütten in zu schlechtem Zustand waren und die dünne Luft Probleme bereitete. Im Halbdunkel musste also die Gruppe den Weg ins Dorf zurückfinden – die weiblichen Pfadfinder fanden jedoch Erbarmen bei einem Jeepfahrer, der sie mit ins Tal nahm. „Er war fest davon überzeugt, von Gott auf den Berg geschickt worden zu sein, um uns zu helfen“.

Gruppenfoto mit kolumbianischen Betreuern während eines Ausflugs, im Vordergrund: Esther Milbert, deutsche, die das Projekt in Kolumbien mit leitet; ganz hinten: Julio Cardenas.
Gruppenfoto mit kolumbianischen Betreuern während eines
Ausflugs, im Vordergrund: Esther Milbert, deutsche, die das
Projekt in Kolumbien mit leitet; ganz hinten: Julio Cardenas.

Vor ungefähr drei Jahren haben wir uns im Trupp entschieden, ein größeres Entwicklungshilfe-Projekt in Angriff zu nehmen. Parallel zu der Suche nach einem geeigneten Projekt für uns, haben wir angefangen zu arbeiten, um Geld für unser Vorhaben zu sammeln. Nach langen Überlegungen, in welcher Region der Erde wir uns engagieren möchten, sind wir schließlich auf die „Corporación Sueños Especiales“ in Kolumbien aufmerksam geworden. Diese Organisation hat einen starken Bezug zum Bistum Aachen und dem DPSG Diözesanverband Aachen, was uns bei unserer Entscheidung für ein Projekt geholfen hat. Nachdem wir mit den drei Verantwortlichen, Esther Milbert, Julio César Cárdenas und Alejandra Sanchez Kontakt aufgenommen hatten, waren sie von unserem Vorhaben sofort begeistert. Zusammen überlegten wir, was für die Arbeit der Organisation in Ibagué am meisten benötigt wird. Ein „Werkhaus“ sollte es sein, in dem die Kinder und Jugendlichen mit und ohne Behinderung Töpfereiprodukte herstellen können, die im neu anzuschaffenden Ofen gebrannt werden, sowie viele andere Dinge durchgeführt werden können. Schnell wurde ein Grundstück gefunden, auf dem das Haus gebaut werden sollte. Zum gegenseitigen Kennenlernen und Planen des Projektes trafen wir Rover uns mit den drei Projektleitern im Sommer 2007 bei uns in Stolberg. Während der letzten Jahre erarbeiteten wir durch diverse Kellnerjobs, Nachtwachen, Renovierungsarbeiten, Weihnachtsbaumverkäufe etc. Geld für das Projekt sowie unsere Reisekasse. Die ein oder andere Spende und Unterstützung von anderer Seite kam ebenfalls dazu.

Vom 26.06. – 24.07.2008 folgte die Belohnung für unsere Anstrengungen, unsere Reise nach Kolumbien. Dienstags vorher hielt unser Kurat Hans-Rolf Funken für uns noch eine Verabschiedungsmesse, am Abreisetag gab er uns frühmorgens noch einen Reisesegen. Dann konnte es losgehen. Nach zwei langen Flügen von Düsseldorf über Atlanta nach Bogotá kamen wir spät abends (Ortszeit) an und wurden von Esther in Empfang genommen. Nach einer Nacht in Bogotá, der Haupstadt Kolumbiens, ging es tags drauf mit dem Bus nach Ibagué, dem Ziel unserer Reise. Nach unserer Ankunft in „Tierra Firme“, dem Stadtteil, der für die nächsten vier Wochen unsere Heimat wurde, trafen wir uns mit den beiden anderen Projektbetreuern im „Dorfrestaurant“ bei Don Adalbert zum Essen. Die nächsten Tage lebten wir uns etwas ein. Erste Einkäufe erledigen, erster Besuch unserer Baustelle, Schwimmen gehen! Samstag Abend machten wir eine kleine Kneipentour in Ibagué, bei der wir auch Livemusik geboten bekamen. Sonntags stand das Endspiel Deutschland – Spanien an, was wir uns nicht entgehen lassen wollten. In Kolumbien war es erst Nachmittag, so dass wir noch mal schwimmen gingen und Abends wurde gegrillt. Da an diesem Wochenende in Ibagué ein großes Folklorefest stattfand, das bis Montags dauerte, konnten wir erst Dienstags anfangen, an unserem Haus zu bauen. Die Zeit überbrückten wir mit einem Tischtennisturnier sowie dem kolumbianischen Nationalsport Tejo, wobei man einen Stein in eine Lehmbox schmeißt, in der im Viereck Schwarzpulvertaschen angeordnet sind, die laut knallen, wenn man sie trifft.

Mauern der Außenwand; v.l.n.r.: Julio, Marcel, Philipp und Moises (kol. Helfer).
Mauern der Außenwand; v.l.n.r.: Julio, Marcel, Philipp und
Moises (kol. Helfer).

Unsere Arbeitstage gingen in der Regel von Montag bis Freitag von 8 bis 18 Uhr, mit einer langen Mittagspause von ca. drei Stunden. Unsere kolumbianischen Helfer auf der Baustelle hatten mit dem Hausbau schon angefangen, damit wir schneller vorankommen. In der ersten Bauwoche mauerten wir die Außenwände, holten Steine aus dem Bach, schaufelten Sand, begradigten den Boden, hoben Löcher für Fundamente aus, zogen einen Graben für das Abwasserrohr, machten Verschalungen für den Beton sowie Käfige aus Stahl zur Verstärkung des Betons. Ebenfalls wurde Baumaterial geliefert: Steine, Beton und Abwasserrohre. In der ersten Woche mussten wir außerdem schon zu einem Arzt, da Simon sich durch den Genuss von zuviel Poolwasser eine Infektion eingefangen hatte, die mit Medikamenten behandelt werden musste. Am Wochenende frühstückten wir typisch kolumbianisch mit Rührei, Zwiebeln, Tomaten und Brot, wir besuchten den örtlichen Markt und wurden zu einer Salsa-Fete bei unseren Nachbarn eingeladen. Sonntags fuhren wir zu einem nahe gelegenen See, der u. a. dem Bruder eines unserer fleißigen Bauarbeiter gehört. Beim Angeln, Schwimmen und einem Rundgang über die Ländereien genossen wir den Tag und die unbeschreiblich schöne Natur. Interessant war auch die Tatsache, dass diese Ländereien früher dem Drogenboss Pablo Escobar gehörten!

Die nächste Arbeitswoche begann mit einem Besuch der Innenstadt von Ibagué, wo wir

Gruppenbild deutsche Teilnehmer auf Aussichtspunkt nahe Juntas (ca.2400 m); Michael, Peter, Simon, Spartak, Philipp.
Gruppenbild deutsche Teilnehmer auf Aussichtspunkt nahe
Juntas (ca.2400 m); Michael, Peter, Simon, Spartak, Philipp.

uns die Stadt und ihre Sehenswürdigkeiten anschauten und etwas shoppen gingen. Auf der Baustelle wurde der Graben für den Kanal zur Straße gegraben, wir errichteten Verschalungen für die Stützen zwischen den Ziegelmauern und befüllten diese mit Beton. Wir mauerten weiter an den Außenwänden, fingen mit der Verschalung für den Ringanker an, und betonierten diesen nachdem die Stahlarmierung angefertigt war. Ebenfalls errichteten wir weitere Verschalungen für freistehende Stützen. In dieser Woche fiel auch zum Ersten und leider auch nicht letzten Mal das fließende Wasser aus, was nicht ungewöhnlich ist, uns aber sehr behinderte nach einem langen Arbeitstag. Am Wochenende fuhren wir in die nahe gelegenen Berge. Nach einem langen beschwerlichen Aufstieg zu den heißen Quellen entspannten wir uns etwas dort. Entgegen unserem Plan in Blockhütten zu übernachten nahmen wir in der Dämmerung noch den Abstieg und die Heimfahrt auf uns. Sonntags besuchten wir noch den Botanischen Garten in Ibagué und fanden viele interessante Pflanzen und Blumen, die wir hier nur von Bildern kennen. Die letzte volle Arbeitswoche begann mit Regen, der unsere Planungen etwas änderte. Trotzdem haben wir noch mal richtig viel geschafft. Der Ringanker wurde fertig mit Eisen bestückt und gegossen, die Giebel zu Ende gemauert. Eine Aufgabe war noch die Verschalung und Betonierung eines freihängenden Querträgers aus Beton-Stahl. Schließlich nahmen wir das Dach in Angriff, welches aus Bambus und Wellblech gefertigt wurde. Während der Woche bereiteten wir außerdem schon unsere Geschenke für das Richtfest vor. Freitag fuhren wir in der Früh mit dem Bus nach Armenia zum „Parc del Café“, einem großen Park über die Geschichte und den Anbau von Café mit angeschlossenem Vergnügungspark. Samstags fuhren wir erneut in die Berge, wo wir in Juntas zu Mittag aßen und einen kleinen Ausritt mit Pferden zu einem nahe gelegenen Aussichtspunkt machten. Am Sonntag stand das große Richtfest auf dem Programm. Hierzu kamen alle Projektkinder mit Familien. Nachdem der Richtspruch gesprochen und die Geschenke überreicht wurden, ließen wir alle den Tag im Schwimmbad ausklingen. Abends machten wir einen ersten Fotoabend. Montags morgen brachen wir nach Bogotá auf. Zum Abendessen waren wir mit kolumbianischen Pfadfindern in einem Restaurant verabredet. Dienstags kamen wir in den Genuss einer Stadtführung durch die Pfadfinder, die uns Ihre Heimatstadt zeigten.

Nun stand leider schon unser Abschied an. Esther, Alejandra und Julio brachten uns zum Flughafen. Nach einer längeren Verabschiedung und letzten Erinnnerungsfotos traten wir die Heimreise an. Es kam noch mal Stress auf, da wir nur ganz knapp unseren Anschlussflug bekommen haben. Eine böse Überraschung erlebten wir noch in Düsseldorf am Flughafen, wo keines unserer Gepäckstücke ankam! Für uns alle war unser Kolumbien-Projekt eine ganz tolle Erfahrung, die wir niemals vergessen werden. Die dreijährige Vorbereitung, die unzähligen Arbeitseinsätze und alles andere organisatorische Drumherum etc. wurden durch die Reise vollends entschädigt. Wir haben so viele nette, hilfsbereite Leute kennen gelernt, neue Kulturen erforscht und Natur erlebt, wie es in unseren Breiten nicht vorstellbar ist.

Wenn wir die Möglichkeit hätten, würden wir sofort wieder hinfahren. Besonders gefreut hat uns, dass unser Bischof Dr. Heinrich Mussinghoff unser Projekthaus in Ibagué, Kolumbien mit seiner Delegation Anfang September während seiner Kolumbien-Reise besucht hat. Er selbst war sehr angetan von dem Projekt und nach diesem Besuch mit Segnung des Hauses kann nur Alles gut werden.

Eure Rover Atsch

Infokasten:

Die Republik Kolumbien liegt im nördlichen Teil von Südamerika. Bogotá ist Hauptstadt und wirtschaftliches und kulturelles Zentrum Kolumbiens. Die westliche Hälfte Kolumbiens wird von den Anden mit zum Teil aktiven Vulkanen dominiert. Im Norden, an der Karibikküste gelegen, erhebt sich mit der die 5.775m hohen Sierra Nevada de Santa Marta das höchste Küstengebirge der Erde und gleichzeitig die höchste Erhebung Kolumbiens. Die östliche Landeshälfte Kolumbiens ist durch dicht bewaldetes Flachland charakterisiert, das südöstliche Viertel Kolumbiens ist nahezu vollständig von dichtem Regenwald bedeckt und kaum besiedelt. Da der Äquator durch Kolumbien läuft, liegt das Land in der tropischen Klimazone. Die ersten Monate der Trocken- bzw. der Regenzeit sind Dezember und Januar bzw. Mai bis Juli. Die Touristenorte werden allerdings zu dieser Jahreszeit auch von den Kolumbianern rege besucht. Gegen Ende der Trockenzeit ist das Land verdorrt und am Ende der Regenzeit toben die Tropenstürme. Überschwemmungen sind keine Seltenheit. Im Hochland kann es nachts kalt werden. Hinsichtlich der Artenvielfalt pro Flächeneinheit belegt Kolumbien weltweit den zweiten Platz. 10 % der weltweit vorhandenen Arten sind auf kolumbianischem Boden vertreten.

Grundkenntnisse im Spanischen sind empfehlenswert bis notwendig, Englischkenntnisse sind abseits der Städte wenig verbreitet. Deutsche Staatsangehörige benötigen für einen rein touristischen Aufenthalt in Kolumbien kein Visum. Offiziell gibt es in Kolumbien keine Reisebeschränkungen. Dennoch kann es aufgrund der Intensität des Binnenkonfliktes und der hohen Militärpräsenz weiterhin zu tatsächlichen Beschränkungen der Bewegungsfreiheit in Kolumbien kommen. Eine Impfpflicht gegen Gelbfieber besteht nicht, von der WHO wird eine Impfung für Teile des Landes empfohlen. Das Auswärtige Amt empfiehlt weiterhin einen Impfschutz gegen Tetanus, Diphtherie und Hepatitis A, bei Langzeitaufenthalt über 4 Wochen oder besonderer Exposition auch gegen Hepatitis B, Tollwut und Typhus. Je nach Reiseprofil ist auch eine Malariaprophylaxe anzuraten. Gegen mückengebundene Infektionsrisiken sind entsprechende Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, entsprechendes gilt für Gefährdungen durch verschmutztes Wasser.

Informationen zum beschriebenen Projekt und zu dem Projektträger Sueños Especiales siehe www.su-especiales.org (auch auf Deutsch). Die Sicherheitshinweise des Auswärtigen Landes befinden sich unter https://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Kolumbien/Sicherheitshinweise.html. Allgemeine Reiseinformationen finden sich unter www.kolumbienweb.de, ein empfehlenswerter Reiseführer auch für Individualreisende ist:

Nah Dran Kolumbien
Hella Braune, Frank Semper
ISBN 3-9805953-9-0
516 Seiten, EUR 23,90
SEBRA-Verlag 2006.

Flüge gehen mit Zwischenstop z.B. von Frankfurt nach Bogota und kosten für Einzelreisende ab 1000 € Hin & Rück.

Quelle: scouting 01-09


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