Entwidmung der Alt-Manheimer Kirche

Entwidmungen von Gotteshäusern sind in Zeiten nachlassender Besucherzahlen und reduzierter Kirchengelder sowie mangelndem Priester- oder Pfarrernachwuchses in Deutschland kein Novum. Doch die am Samstagnachmittag erfolgte Entwidmung des Gotteshauses in Alt-Manheim hat (klima-)politische Aspekte. Alt-Manheim liegt im Braunkohlerevier Hambach. Nicht nur dem dortige Rest-Wald (das meiste ist ja schon abgeholzt) droht trotz der verbrieften Klimaschädlichkeit von Braunkohle das Aus. Neben bereits 100 zerstörten Dörfern mit 44.000 früheren Einwohnern befinden sich weitere Dörfer aktuell noch in Umsiedlung. Auch in Alt-Manheim sind vom optischen Eindruck her bereits ein Großteil der Bewohner umgezogen nach Neu-Manheim. Alt-Manheim gleicht einem Geisterdorf, welches besonders durch die mit USB-Platten versiegelten Fenster beeindruckt. Die früheren Bewohner, so schien es zumindest am Samstag, haben sich mit ihrer Umsiedlung abgefunden, haben nun überwiegend „freistehende Einfamilienhäuser“ erhalten. Bekannteste „Söhne Manheims“ sind übrigens die ehemaligen Formel-1-Rennfahrer Michael und Ralf Schumacher.

So teilten sich die Anwesenden am Samstag erschreckend eindeutig auf zwei Gruppen auf. Zum einen offenbar ehemalige Einwohner Alt-Manheims, die in der Kirche den letzten Gottesdienst feierten. Das waren gut 300-400 Personen im Durchschnittsalter von etwa 50 Jahren. Gut bewacht von gefühlt 100 Polizisten. Sowie Privat-Security-Typen, die nicht gerade auf Charme-Offensive unterwegs waren und gut eine Rolle als Darsteller in einem Motorradclub-Streifen hätten innehaben können. Auf der anderen Seite hinter den Absperrungen die 150 Gegner des Abrisses der Kirche. Hier fanden sich Klimaaktivisten ebenso wie kritische Angehörige der katholischen Kirche. Der Altersschnitt lag hier niedriger.  Auf Transparenten „schämten“ sie sich für Ihre katholische Kirche, benannten „30 Silberlinge“ als Preis für den „Verrat“ und mit Kreide war auf dem Boden geschrieben „Herr, vergib ihnen nicht, denn sie wissen, was sie tun.“ Diejenigen, die nach dem Gottesdienst die Reliquien nach draußen begleiteten, wurde folgerichtig der klaren Trennung von den Demonstranten mit „Judas“-Rufen bedacht. Und das war eigentlich schon recht komisch, denn nur weil jemand beim letzten Gottesdienst seiner Dorfkirche teilnimmt, heißt das ja nicht automatisch, dass man sich über deren Abriss freut. Sie waren wohl weniger persönlich gemeint, denn als Repräsentant ihrer Kirche.

Die offene Frage, die auch mit einem kommunikativen Polizisten nicht geklärt werden konnte, war, was denn gewesen wäre, wenn die katholische Kirche sich geweigert hätte, die Entwidmung der Kirche vorzunehmen. Dass ein Unternehmen eine Kirche abreißt, die noch offiziell ein Gotteshaus ist, erscheint ja eher unwahrscheinlich.

Doch zu einseitig soll das hier nicht dargestellt werden. Sicherlich, die 1900 errichtete Kirche ist nur ein Symbol. Und sie steht in einem inzwischen menschenleeren Dorf. Braunkohle ist in Nordrhein-Westfalen der wichtigste Energieträger bei der Stromerzeugung, liefert 43 Prozent. Allein der Tagebau Hambach ist bereits mit 15 Prozent an der Deckung des Strombedarfs von NRW beteiligt und natürlich hängen unmittelbar 10.000 Arbeitsplätze daran. Aber Braunkohle ist eben auch die klimaschädlichste Energiequelle. In Nordhein-Westfalen geht ein Drittel des jährlichen Kohlendioxid-Ausstoßes auf das Konto der rheinischen Braunkohle. Wann die Kirche nun konkret abgerissen wird, steht noch nicht fest. Das Dorf Alt-Manheim steht bei RWE jedoch bereits für das Jahr 2022 auf dem Abrissplan.


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