„FM“, Fritz-Martin Schulz, der Bundesführer des Nerother Wandervogels, brach am Sonntag 02.04. zu seiner letzten großen Fahrt auf. Er beendete seinen Dienst am Bund im 49. Jahr seiner Regentschaft und im Alter von 81 Jahren. Es mag für ihn selbst vielleicht nicht so unverhofft gekommen sein, wie für andere. Eine Aussage seiner Rede beim vergangenen Mittsommerfest lässt sich im Nachhinein so lesen.
Die Bundesführer im Nerother Wandervogel werden auf Lebenszeit bzw. bis Abwahl oder Rücktritt, gewählt. Deshalb kommt ihrer Persönlichkeit „naturgemäß“ eine erheblich höhere Bedeutung zu, als dies in anderen Bünden der Fall ist. Gegen einfache Kost und Logis „residierte“ FM auf der Nerother Burg Waldeck. Er prägte mit seinem unverwechselbaren, nüchternen Stil fast fünf Jahrzehnte. Die durch ihn geführten Amerikafahrten machten von sich reden (Scouting berichtete), aber auch seine Veröffentlichungen. Diese waren weit jenseits des „Mainstreams“ und riefen oft Widerspruch hervor, waren jedoch stets durchdacht. So mancher machte wohl seine Scherze über ihn und seine Vorliebe für Erbswurstsuppe und hohe Stiefel. Oder regte sich über seine 60er-Jahre Ausdrucksweise auf oder unterstellte ihm eine parteipolitische Positionierung. Diese konnten sich aber sicher sein, dass die Witze, die FM seinerseits über sie machte, erheblich geistreicher waren.
Ja, er hatte Haltung, ja er hatte Anspruch. Nicht selten dürfte ihm dabei manches in seinem eigenen Bund gegen den Strich gegangen sein. Mit Proletariern fremdelte er. Völlerei hielt er für überflüssig (schließlich reichen ja auch Trockenerbsen und Wasser als Verpflegung). Und so mancher, der seinen Vorgänger noch gekannt hatte, erlebte einen Schock in Bezug auf den mit FM vollzogenen Kulturwandel zum spartanisch-asketisch-geistigen. Manch einer suchte sich eine neue Heimat. Zumal FM eben keineswegs harmoniesüchtig war und durchaus wusste, wie man zu reagieren hat, wenn dem Bunde (oder der Seele junger Menschen) Gefahr drohte. Schaut man sich an, wer da gegangen ist, so scheint er aber ein eher glückliches Händchen gehabt zu haben.
Ich habe ihn als sehr geistreichen, ehrlichen und anständigen Gesprächspartner mit Haltung (die nicht die meine war) erlebt, der sein ganzes Leben in den Dienst des Nerother Bundes gestellt hatte. Dies nötigt mir Respekt ab.
Die Vorbereitungen zur Beisetzung werden aktuell durch den Kanzler des Bundes und seine Mannschaft getroffen. Sollte ein größerer Kreis (über den Bund hinaus) überhaupt gewünscht sein, werden Details mitgeteilt werden. Die anstehende Generalversammlung wird einen neuen Tagesordnungspunkt haben. Es wird wohl auch widerlegt werden, was der eine oder andere oder gar FM über sich selbst gesagt haben soll, nämlich, der Leichenträger des Nerother Bundes zu werden. FM, Horridoh!
Zum Weiterlesen:
Nerohm (Fritz-Martin Schulz): Die letzten Wandervögel. Burg Waldeck und die Nerother. Geschichte einer Jugendbewegung. Spurbuchverlag, Baunach 2002. ISBN 978-3-88778-197-2
Fritz-Martin Schulz: Von der Straße geworben. Spurbuchverlag, Baunach 2007. ISBN 978-3-88778-310-5
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