Wegschauen geht nicht (mehr)
Aus dem Burgblick:
Das Thema des sexuellen Kindesmissbrauchs ist in den Archiven angekommen. Zugang zu den Akten dieser oft Jahrzehnte zurück liegenden Fälle zu erhalten und einen umsichtigen Umgang mit diesen Dokumenten des Unrechts zu wahren, sind wichtige Forderungen von Opfern und deren Vertreterinnen bzw. den Beauftragten für die Aufarbeitung. Bei einer Tagung dazu im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt, wo seit 2015 der Bestand der „Odenwaldschule“, jahrelang ein Ort systematischen Kindesmissbrauchs, verwahrt wird, berichtete die Leiterin des Archivs der deutschen Jugendbewegung über die „Freie Schule Wickersdorf“, den Vorläufer der Odenwaldschule. Dessen Gründer, Gustav Wyneken, rechtfertigte zu Beginn des 20. Jahrhunderts erotische Lehrer-Schüler-Verhältnisse als Inbegriff guter Pädagogik („Pädagogischer Eros“). Der Aufbruch zu mehr sexueller Freiheit, der nicht zuletzt von Jugend-, Homosexuellen- und Frauenbewegungen propagiert wurde, geriet so durch die Vereinnahmung und den Missbrauch von Minderjährigen in ein teilweise kriminelles Fahrwasser. Zur Erforschung dieses düsteren Kapitels steht Wynekens Nachlass im AdJb zur Verfügung.