DPB Bula 2015

Minderjährige Gruppenführer?

Oft reagieren Eltern mit Überraschung auf die Feststellung, dass der Gruppenführer, dem ihr Kind anvertraut ist, noch nicht volljährig ist. „Ist das denn erlaubt?“ ist eine ebenso gängige Frage wie „Was sagt denn die Versicherung dazu?“ Manche Pfadfinderverbände fordern die generelle Volljährigkeit ihrer Gruppenführer, sehen sich aber dann mit dem Problem konfrontiert, dann möglicherweise unter einem gewissen Gruppenleitermangel zu leiden. Aber was sagt denn nun eigentlich „das Gesetz“ dazu?Die Aufsicht ist weder an das Geschlecht noch an das Alter gebunden. Ist der aufsichtsführende Gruppenleiter selbst noch minderjährig, bedarf er zur Übernahme bestimmter Rechte und Pflichten jedoch immer der Genehmigung seines gesetzlichen Vertreters (zumeist die Eltern). Hier bietet die verbreitete Methode des stillschweigenden Einverständnisses (frei nach dem Motto „Die Eltern wissen, dass ihr Kind alleinverantwortlich eine Gruppe führt; sie haben nicht protestiert, also sind sie einverstanden“) keine stabile Basis. Ebenso sollte den Eltern der Gruppenmitglieder das Alter der Gruppenführer bekannt sein oder zumindest die gängige Praxis, dass auch Minderjährige Aufsichtspflichten in der Gruppe übernehmen. Ein allgemeiner Infozettel, der an alle Eltern gegeben wird, und in dem dieser Umstand (Jugend führt Jugend) erläutert wird, kann dieser Informationspflicht hinsichtlich einfachen Veranstaltungen (Gruppenstunden) genüge tun.

Doch die allerwichtigste Feststellung ist: Die Aufsicht über Minderjährige erfordert Vernunft, Sachverstand, Erfahrung sowie überlegtes Denken und Handeln. Das sollte jedem bewusst sein, der die Führung einer Gruppe einer Person anvertraut – unabhängig davon, ob diese Person volljährig oder eben noch nicht volljährig ist. Es müssen Voraussetzungen erfüllt sein, damit jemand mit der Leitung einer Gruppe betraut werden darf. Neben seiner Persönlichkeit und Reife zählt auch seine Schulung dazu: In Gruppenführerkursen muss er auf seine Tätigkeit ausreichend vorbereitet worden sein, hierzu gehört ein Kurs in Erster Hilfe ebenso wie rechtliche Aspekte der Aufsichtspflicht. Erst nach einer intensiven Phase der Einarbeitung kann er verantwortungsbewusst auf die Gruppe „losgelassen“ werden.

Ein wichtiger Aspekt ist auch, wie verantwortungsvoll der Umfang der Tätigkeit ist. Ein in diesen Dingen geschulter Vierzehnjähriger kann durchaus eine Gruppenstunde allein bewältigen, sofern ein erfahrener und älterer Gruppenführer sich in Rufweite befindet. Jedoch: Allein mit den Pimpfen diesen Gruppenführer drei Wochen auf Großfahrt (egal ob Deutschland oder Bosnien) zu lassen, dürfte – Vertrauen hin oder her – definitiv einen Akt der Unvernunft darstellen. Selbst für eine Wochenendtour in die nähere Umgebung sollte die Verantwortung zumindest bei einem mindestens Sechszehnjährigen liegen. Fragen, die sich hier stellen, sind natürlich auch, wie die Unterkunft beschaffen ist, wie im Notfall Hilfe erreicht werden kann, wie alt die Gruppenmitglieder sind und welche Größe die Gruppe hat. Sprich: Die Risiken müssen genau abgewogen werden.

Zu bedenken sind auch abweichende gesetzliche Regelungen in anderen Ländern. Schon im nahen Frankreich sind minderjährige Gruppenführer schlicht und ergreifend verboten. Auch eine französischsprachige „Erlaubniserklärung“ seiner eigenen Eltern und seines Pfadfinderbundes kann diesen Umstand nicht ändern. Grenzübertritte, Reise- und Zeltplatzbuchungen sind unter der Leitung Minderjähriger ebenfalls nicht problemlos möglich.

Vorbedingung für den Erwerb der bundeseinheitlichen Jugendgruppenleitercard (Juleica) ist übrigens eine Ausbildung von mindestens 40 Stunden in Gruppenpädagogik, Aufsichtspflicht, Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen, Methoden, ein Erster-Hilfe-Kurs und das Mindestalter von 16 Jahren.

Quelle: scouting 03-09

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