Wer einen Liedtext oder eine Melodie (oder einen Satz oder eine Bearbeitung) schreibt, hat das Urheberrecht an diesem. Wer einen Liedtext oder eine Melodie (eines anderen Urhebers) verwendet, hat das Urheberrecht zu beachten. Unproblematisch ist es, wenn ihr für euch selbst ein handgeschriebenes Liederbuch verfasst. Und sinnvoll durch das haptische Lernerlebnis ebenso. Sobald jedoch Liedtexte nicht nur für den privaten Gebrauch kopiert, vervielfältigt oder sogar öffentlich zugänglich gemacht werden (Internet, öffentlicher Verkauf), kommen wir in einen Bereich, in dem der Urheber des Liedes, also die Verfasser des Textes und der Melodie, ein Recht, also ggf. einen Anspruch auf Vergütung haben. Das Fotokopieren und das Scannen von Noten ist sogar grundsätzlich untersagt. “Die Vervielfältigung […] graphischer Aufzeichnungen von Werken der Musik […] ist, soweit sie nicht durch Abschreiben vorgenommen wird, stets nur mit Einwilligung des Berechtigten zulässig[…].”
Viele kennen den Hinweis aus käuflich erwerblichen Liederbüchern „Manuskript zur zum internen Gebrauch“. Diese Aussage ist Unsinn. Ebensolcher Unsinn ist es, einfach Liedtexte zu veröffentlichen und dann darunter zu schreiben, dass man um Hinweis bittet, sollte man damit das Urheberrecht verletzt haben. Denn nicht der Rechteinhaber muss aktiv die Nutzung seines Werkes kontrollieren, sondern alle anderen müssen sich die benötigten Nutzungsrechte explizit einräumen lassen, bevor sie zum Beispiel einen Liedtext im Internet zum Abruf bereitstellen dürfen. Ist trotz nachweislicher Bemühungen der Rechteinhaber nicht zu ermitteln gewesen, bringt das aber zumindest mildernde Umstände (§ 100 UrhG).
Erstellt man also ein Liederbuch und möchte dies, egal ob käuflich oder kostenfrei, über den Kreis der eigenen Gruppe hinaus vertreiben, ist bei jedem einzelnen Lied zu prüfen, wer a) die Rechte am Text hat (der Verfasser oder hat er seine Verwertungsrechte z.B. an einen Verlag, an die VG Wort oder VG Musikedition abgetreten) und b) wer die Rechte an der Melodie hat (der Verfasser selbst oder hat er seine Rechte ebenfalls an einen Verlag oder eine Verwertungsgesellschaft abgetreten). Mit jedem einzelen Rechteinhaber sind dann entsprechende Lizenzvereinbarungen zu treffen (Einschränkungen siehe z.B. § 46 UrhG). Plant man zum Liederbuch die dazugehörige Ausgabe einer CD, können sich andere Vertragspartner ergeben, wenn die unterschiedlichen Arten der Nutzungsrechte (Abdruck, Vorführung etc.) bei verschiedenen Personen oder Institutionen liegen. Die Verantwortwortung dafür, alles richtig recherchiert zu haben, liegt bei einem selbst. Glaubt man also blind dem Hinweis aus dem Liederbock, die Melodie des Weberliedes stamme von Helm König, verwendet dann aber stattdessen in Unkenntnis der Details die alternative Melodie von der Gruppe Liederjan, kann man sich in die Nesseln setzen.
Merke: Es kann grundsätzlich nichts schaden, wenn man sich mal mit dem Text des Urheberrechtsgesetzes auseinander setzt, wie jeder ja auch über das BGB und StGB etwas Bescheid wissen sollte.
Auch nach dem Tod des Urhebers werden Liedtext und Melodien nicht unmittelbar gemeinfrei. Die Rechte vererben sich; der Schutz erlischt in Deutschland erst 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Auch hier sind Text und Melodie getrennt zu betrachten; bisweilen kommt noch ein Übersetzer hinzu. Für das Gesamtwerk gilt dann der Zeitpunkt des zuletzt Verstorbenen, dies gilt auch bei gemeinsamen Werken mehrerer Liedtexte oder Komponisten. Zu beachten ist dabei allerdings, dass der Songtext auch noch nach ausländischen Urheberrechten geschützt sein kann, für die abweichende, das heißt unter Umständen auch längere, Schutzfristen gelten können.
Selbst erstellte Liederbücher/-zettel dürfen also nur an einen begrenzten, internen und bekannten Empfängerkreis abgegeben werden, diesen Kreis auch nicht verlassen und nur Noten enthalten, wenn diese nachweislich selbst erstellt wurden.
Was passiert, wenn man sich nicht daran hält? Man macht sich strafbar und riskiert Schadenersatz, Abmahnung, einstweilige Verfügung und evtl. auch ein Hauptsacheverfahren in Höhe von mehreren tausend Euro (mildernde Umstände bringen fehlende Vorsätzlichkeit und fehlende Fahrlässigkeit; eine angemessene Entlohnung ist dann aber nachzuholen, siehe § 100 UrhG).
Es ist nicht unmöglich, den beschriebenen Rechercheaufwand zu vollbringen (hilfreich dabei ist z.B. der Codex Patomomomensis) und es ist in vielerlei Hinsicht lohnend. Man kommt in direkten Kontakt mit den Liedschöpfern, erfährt, dass der Voggenreiterverlag Freundschaftspreise für die Verwendung verlangt (auf solchen sollte man bestehen, das ist freies Handelsrecht, und manche Verleger verhalten sich gern wie Raubritter) und entwickelt Hochachtung vor all jenen, die geistiges Eigentum schaffen und entbietet ihnen die Wertschätzung, die sie verdienen.
Dieser Beitrag wurde erstellt mit maßgeblicher fachlicher Unterstützung von Pato (Tim Oliver Becker) und Helm (Helm König).
Quelle: scouting 01-12
Anmerkung von Einstein (2019): Mittlerweile haben einige bündische Liederschrieber damit begonnen ihre Lieder unter Creative Commons Lizenzen zu veröffentlichen.
Damit ist die „Verwertung“ in bündischen Kreisen leichter.
Kostenfrei den SPURBUCH Newsletter bestellen.
Spurbuchverlag: Die größte Auswahl an Büchern über die Pfadfinder- und Jugendbewegung.
Schreibe einen Kommentar