
Selten zuvor hat einer von uns eine so große Reise angetreten. Aber genug Fahrtenroutine steckte schon in uns, um zuzusagen und zu denken „Ach, das wird schon alles gut gehen…“. Jonathan Stock vom Stamm Möwe hatte uns eingeladen zur Pakistanfahrt 2006. Natürlich hatten wir Angst und Respekt vor der Fremde, aber die Neugier siegte. Und so hatten wir die seltene Gelegenheit, ein Land, das direkt auf der „Achse des Bösen“ liegt und von dem oft in den Nachrichten die Rede ist, näher kennenzulernen. Ja, wir hatten Respekt vor diesem Land.

Aber alles kam anders als befürchtet. Freundliche Pakistanis empfingen uns in einem Land, das für mich eher mit dem Mond oder mit dem Mars zu vergleichen war, als mit irgendeinem anderen Land, würde man mich danach fragen. Einfach alles war anders. Das Essen, das Wetter, der Straßenverkehr, die Insekten, die Schwärme riesiger Fledermäuse, die Menschen, die Einkaufsläden. Es war der totale Kulturschock. Fast überhaupt keine Frauen haben wir in den ersten Tagen gesehen. Regelmäßig schallte aus Megaphonen der Ruf der Muhezzins; durch die Großstädte genauso wie durch die spärlich besiedelten Täler. Nach sechs Tagen Reis mit Lamm hat mein Magen aufgegeben. Beim Autofahren bekommt man nicht wie in Deutschland einen steifen Rücken und einen wundgesessenen Arsch, nein, man kriegt Scheuerstellen vom hin und her geschleudert werden und Beulen am Kopf. Die Straßenverhältnisse in den Bergen sind so Angst einjagend, daß man sich manchmal fragt, ob man nicht gerade träumt.

Wir waren zwei Wochen wandern in dieser fremden Welt und drei Wochen habe wir uns umgeschaut und, wie man so schön sagt, Land und Leute kennen gelernt. Wie soll ich in wenigen Worten das beschreiben, was wir erlebt haben? Ich mache es einfach so: Würde man mich in meinem nächsten Leben wieder fragen, ob ich mit wollte, dann würde ich wieder ‚ja’ sagen, das zählt doch was, oder?
Wenn ihr mehr wissen wollt, dann fragt Mobby, Jan, Rashy, Joni oder mich
Timo Zett (Geisterburg)
Auszüge aus den Internet-Blogs
Vorab-Bemerkung
Ob es eine Fahrt ist, die wir machen, darüber läßt sich streiten. Wer mit Emirates anfliegt,

Träger sein Gepäck tragen läßt, teilweise in Igluzelten schläft, sogar Stirnlampen und Skistöcke dabei hat und nicht zuletzt so einen Blog einrichtet, wird sicherlich von unseren bündischen Freunden etwas scheel angeguckt werden. Egal! Für uns ist das eine Fahrt, auch wenn wir stilistisch leichte Kompromisse eingehen mußten…denn was zählt bei einer Fahrt, ist doch schließlich nicht die Farbe des Zelts, sondern die Neugier der Gruppe und ihre Freundschaft!
Rückenwind – Posted by jonathan on Montag, 14. August 2006
Hier fängt die Geschichte an. Der Rucksack ist gepackt und in zehn Minuten geht es zum Flughafen. Treffen um 12 Uhr, Materialverteilung, Abschiedsfoto, Check-In, Sicherheitskontrolle, eine Nacht in Dubai und dann Ankunft 2.20 Uhr morgens in Islamabad, Pakistan.
“Pakistan…häh?…wieso ausgerechnet Pakistan?” wurden wir oft gefragt in den letzten

Monaten. Ehrlich gesagt wissen wir das selbst nicht so genau. Jeder von uns hat eine andere Motivation, ob Berge, Menschen, mal was anderes oder Auszeit. Auf jeden Fall sind wir neugierig und gespannt, was sich hinter einem Land verbirgt, daß sonst nur durch Atom-Mullahs und Erdbeben in den Fokus rückt.
Fest sind unsere Flugzeiten: Am 14. August ist Abflug nach Dubai und weiter nach Islamabad und am 21. September wollen wir abends wieder in Hamburg sein.
Zwischen diesen beiden Tagen planen wir fest einen längeren Treck im Zentralkarakorum (einem Gebirge westlich des Himalaya und östlich des Hindukusch). (…) Dieses große Land wird uns sicherlich noch überraschen…
Der letzte Schliff in Islamabad – Posted by rashy on Samstag, 19. August 2006
Es ist einfach toll hier, die Stadt ist eine Mischung aus “Neuköllner Hinterhofflohmarkt” und “Chinatown”, nur das ganze hoch 20.

Die Stadt wurde ja in den 60er Jahren als zentrale Hauptstadt Pakistans aus dem Boden gestampft. So sieht’s hier auch aus und seitdem wurde wohl auch nichts mehr gemacht. Viele teilweise fertige Häuser (in denen auch viele leben) und belebte Hinterhöfe. Jeder Winkel bietet Platz für einen weiteren Händler. Kein Quadratmeter ist ungenutzt. Die Stadt wurde seit damals nur durch wirre Stromleitungen und Gasleitungen ergänzt. Alles quer durch die Stadt gelegt, gehängt, mit Sachsband befestigt. (…) Toll sind die vielen Taxifahrten, die gerade mal 30 – 50 Cent quer durch die Stadt kosten. Diese sind angenehmer, als die Busfahrten. Verkehrsregeln gibt es nicht, nur die Hupe. Wenn man länger hier ist, merkt man, daß das Ganze kein sinnloses Hupkonzert ist, sondern jede Benutzung einen Sinn hat, ein bestimmtes Zeichen ausdrückt. So was wie, “ich will aus meiner Parklücke, hau ab!” ,“Meine Hupe ist lauter, ha!”, “Vorsicht Ausfahrt, ich komme”, “Ich warne Euch”, “Denk dran, ich fahr hier auf der vierten Spur!” (es gibt hier nur zwei…)

Man bekommt hier alles der letzten 100 Jahre: während einer das neuste Handy kauft, bügelt der Nachbar auf seinem Balkon Kundenwäsche mit einem schmiedeeisernen Bügeleisen, das nicht mal meine Oma hätte besitzen können.
Ich bin froh hier zu sein und das alles erleben zu können, diese Eindrücke zu bekommen. Gern würde ich das mal verarbeiten, doch dazu komme ich vorerst nicht, neben mir wartet sicher schon die nächste schön-seltsame Situation, die ich nicht verpassen darf, also macht’s gut.
Bierlizenz – Posted by mobby on Samstag, 19. August 2006
Jetzt ist es amtlich: Joni, Rashy und ich dürfen trinken! Zwar nicht soviel wir wollen, aber

immerhin: es steht im Paß. Bitte! Angeregt von der Beschreibung im Footprint – Reiseführer und nicht zuletzt vom tropischen Klima sind wir heute morgen ausgezogen uns die offizielle Erlaubnis zu besorgen, in der islamischen Republik Alkohol zu trinken. Was selbst für uns als (mehr oder weniger) Christen und Ausländer auf jeden Fall schwieriger (und wahrscheinlich teurer) ist als andere, heftigere Drogen zu bekommen.
Land und Leute – Posted by rashy on Donnerstag, 24. August 2006
Hier in Pakistan gibt es keine Diskretion, egal, ob auf dem Amt, in der Bank oder bei der Post. Überall stehen die Leute dicht gedrängt und verfolgen mit, was du oder dein Nachbar gerade machen und sagen. (…) Das andere ist die Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft. Ganz toll, aber manchmal doch zuviel des Guten. Die Leute wissen nicht, wann es genug ist, und so hat man schnell ein kleines Gefolge hinter sich, das loszuwerden, fast unmöglich ist.

Schäferstündchen – Posted by timo on Donnerstag, 24. August 2006
Da war dieser Hirte mit seinen Tieren, seinem Kesselchen, seinem Zuckertütchen und seinem freundlichen Lächeln. Da waren vier Wanderer am ende ihrer Kräfte, bei ihrem ersten Versuch im fremden Land einem Berg zu besteigen. Die Höhe beschleunigte den puls, sie drückte auf die Schläfen und raubte den vier Wanderern die Luft (…) Mit einer selbstverständlichen Gastfreundschaft entfachte der schweigsame Hirte ein Feuerchen, knackte uns Nüsse und molk seine Tiere um den Tee zu verfeinern. Wir hatten für ihn nichts als wortlosen Dank und drei trockene Cookies. Er nahm sie erst nach einigem überreden entgegen und aß sie mit zurückhaltender Dankbarkeit.
Yours in Scouting – Posted by jonathan on Donnerstag, 24. August 2006
“Ich darf mich vorstellen. Mein Name ist Zahid Mahboob. Ich bin Sekretär der Pakistan

Boy Scout Associaton. Psychologe und meines Zeichens verantwortlich für das Training und die Ausbildung der Kursleiter im Bund….“
Und so saßen wir dann am nächsten Abend im begrünten Innenhof des Headquarters der PBSA in Islamabad. Ein 37 Hektar großes Gelände mit Sportanlagen, Rinderherden, Zeltplätzen und mehreren kleinen Häusern. Eingerahmt vom pakistanischen Pfadfinderversprechen (On my honour I promise that I will do my best, to do my duty to Allah and my country, to help other people at all times and to obey the Scout Law.…) erwartete uns ein gedeckter Tisch voller dezent gewürzter Speisen, der rücksichtsvolle Ventilator für die schwitzenden Europäer brummte leise im Hintergrund und ca. 6 servile Diener scharwänzelten freudvoll um uns herum, tischten Chawal, Dal, Goshd, Chapathi auf und frische Mangos als Nachtisch. Köstlich. Nur essen mußten wir noch selbst.

Während das Gespräch zu Beginn noch recht formell wirkte (“so..eh..how is scouting in pakistan organized?) entwickelte sich eine lebhafte Diskussion über deutsche und pakistanische Feinheiten und das Trennende und Verbindende der Pfadfinderei. Wieder einmal wurden unsere Vorurteile über den Haufen geworden. Während einige von uns einen Haufen unorganisierter Scouts eines Entwicklungslandes erwarteten und andere eher an eine paramilitärische Organisation dachten, trafen wir auf einen Verband, der sich locker mit dem BdP messen kann und ihm in vielem sogar übertrifft.
Die PBSA ist mit seinen 500.000 Mitgliedern demokratisch organisiert, als Chief Commisioner wurde vor zwei Jahren eine Frau gewählt, die Amtszeit wurde kürzlich verlängert. An überregionalen Projekten läuft einiges, die Scouts sind stark in der Erdbebenregion aktiv (Das Projekt trägt den Namen “Gifts for Peace“), v.a. bei der Verteilung von Essen und Kleidung, bei der Einrichtung von Krankenstationen und der Gesundheitsaufklärung und beim Wiederaufbau. Zusätzlich ging ein groß angelegtes

Projekt für Menschen mit Behinderung zu Ende (“Agooree“). Der PBSA hilft außerdem eine Pfadfinderbewegung in Afghanistan aufzubauen. Einer der High Secretaries am Tisch kam gerade aus Kabul wieder, wo er einen Gilwellkurs leitete. Natürlich sind Organisationen immer bestrebt sich möglichst gut darzustellen. Allerdings haben sich viele der Informationen nach dem Gespräch bestätigt. Pfadfinder sind im ganzen Land bekannt und werden hoch geschätzt. Auch in den Medien werden sie positiv beurteilt .
Wir waren auf jeden Fall ganz schön beindruckt. Zahid bot uns natürlich auch sofort an im Headquarter zu übernachten, will für uns einen Aufenthalt in der Erdbebenregion organisieren und half uns bei der Confirmation unserer Flüge. Nach den äußerst positiven Erfahrungen mit ESU (Eesti Skautide Ühing) die drei von uns beim Landessommerlager des Landesverbandes Schleswig-Holstein/Hamburg e.V. des BdP in Estland gemacht hatten, waren wir wieder einmal geflasht davon wie geil es ist Pfadfinder und spürbar(es) Mitglied in einer weltumspannenden Organisation zu sein.

Höhepunkt des Abends war auf jeden Fall die feierliche Tuchübergabe im Büro des Chief Commssßioners zwischen Zahid und “our very respected leader Mobby. Gegeneinladung nach Deutschland und Freundschaftsbekundung inklusive. Ich hatte fast Tränen in den Augen vor Rührung. Da geht noch einiges!
Samstag Abend in Islamabad – Posted by mobby on Donnerstag, 24. August 2006
Nach vier Tagen voller Organisation, Erfahrungen, Kulturschock, Begegnungen, Verwunderung und Freude in der Hauptstadt der islamischen Republik Pakistan wollten auch wir uns mal ein bißchen touristisches Sightseeing gönnen. Schön wird es eigentlich erst außerhalb – und dort liegt auch die von uns aufgesuchte Sehenswürdigkeit: Faisal – Masjid, die größte Moschee der Welt, Platz für bis zu 100000 Menschen.
Als wir – wie immer mit Taxi – ankommen fällt als erstes die Ruhe und die frische Luft auf

– so etwas haben wir seit unserer Ankunft nicht mehr erlebt und genießen es von Beginn an. Eine feierliche und beinahe mystische Atmosphäre beherrscht schon die Grünanlagen vor der Moschee. Wir geben unsere Schuhe am Eingang ab, unsere Taschen dürfen wir als Touristen behalten. Auf dem Weg nach drinnen werden wir von einer Gruppe aus Peshawar angesprochen, die sich interessiert nach unseren Namen und Herkunftsland etc. erkundigt. Gespräche ergeben sich, gemeinsame Fotos werden gemacht.
50 Prozent – Posted by mobby on Sonntag, 10. September 2006

Zurück aus der Ausnahme – Bergwelt, fiel uns allen auf, daß wir ja nicht nur im Gebirge, sondern auch in Pakistan sind. Damit ist uns der Kontakt zu 50% der Bevölkerung wieder verwehrt –(…) Ohne genaue Kenntnis der Lebenswelt von Frauen hier weiß ich, daß die Männer hier in gewissen Belangen doch durch die Geschlechtertrennung meines Erachtens kein besseres Leben führen. Wer nicht früh verheiratet ist, muß sich mit irgendwelchen mehr oder weniger glaubwürdigen Abenteuern brüsten (…) alles wirkt recht verklemmt und unreif. Als ich einmal während meiner Krankheit vor Schmerzen, Angst und Trauer weinen mußte, forderte mich unser Führer sichtlich verwirrt und aufgeregt auf, dies zu unterlassen, weil es für Mädchen sei und meine Freunde beschäme – offensichtlich war er mit dieser (einfachen) Situation völlig überfordert.
Wind nordost – Posted by jonathan on Montag, 11. September 2006
Heute ist der 11. September. Irgendeiner hat mal gesagt: “Was, ihr seid am 9.11. in

Pakistan, das ist ja wie Mittsommernacht in Finnland feiern.” Ich hatte heute eigentlich einen ganz normalen Tag. In der Zeitung steht wahrscheinlich dasselbe wie in Deutschland.
Den Flug von gestern verdaut. Ich hab mal gefragt, ob ich im Cockpit sitzen darf. Kein Problem. Zitat vom Käpt’n: “There is too much mistrust in the world”. Na gut, andere Fluggesellschaften haben vielleicht ihre Gründe wieso sie niemanden mehr ins Cockpit lassen, aber das wollte ich dann nicht erörtern. Krasses Erlebnis! Der Flug von Skardu nach Islamabad geht direkt am Nanga Parbat vorbei, den man auch auf einen der Fotos sehen kann, der neunthöchste Berg der Welt. Das Flugzeug fliegt nur 200 Meter höher daran vorbei. Man muß sich das so vorstellen, das man durch das übliche Wolkenmeer fliegt, und dann taucht auf einmal so ein Klopper auf und man denkt: “Häh? Was’n das? Achja, Nanga Parbat.” Beim Landeanflug hat der Chefpilot gefragt, ob ich sitzen bleiben möchte, womit er sich wahrscheinlich über alle Sicherheitsvorschriften hinweggesetzt hat. Auf jeden Fall bin ich so in den seltenen Genuss gekommen die Landung einer 737-300 im Cockpit mitzuerleben. Wahnsinn! Ich dachte, ich sitze im Simulator. Kann schon verstehen, was

die Faszination für Piloten ausmacht…
Erdbeben – Posted by timo on Montag, 18. September 2006
Im Erdbebengebiet in Kashmir angekommen.(…) Mir wurde langsam klar, wo wir eigentlich hingefahren waren: Hier hatte vor weniger als einem Jahr eine der größten humanitären Katastrophen des letzten Jahrhunderts stattgefunden. Mit fast doppelt so vielen Obdachlosen wie nach dem Tsunami von 2004 (ca. 3 Millionen) und ca. 85.000 Todesopfern. Es war das stärkste Beben in der Südasiatischen Region seit 100 Jahren.
Quelle: scouting 04-06
Schreibe einen Kommentar