I

Gesundes Körperbewusstsein fördern

Unser Rechts-ABC-Beitrag zu Fragen der Koedukation und sensiblen Bereichen hat durchaus auch negative Kritik hervorgerufen. Nur zur Klarstellung: Es handelt sich bei diesem Artikel um eine nüchterne Zusammenstellung von Fakten und keine Positionierung der Zeitschrift scouting oder meiner Person als Vorreiter für Prüderie.

Selbstverständlich wird kein Gruppenführer strafrechtlich belangt allein dafür, dass er seine Gruppe gemischtgeschlechtlich in einem Zelt schlafen lässt oder die Gruppe auf Großfahrt ausgelassen nackt in einen Teich springt. Das wurde in dem Artikel auch nicht behauptet.

Es ist wohl dem Einfluss der Reformpädagogik über die Wandervogelbewegung zu verdanken, dass in der heutigen deutschen Pfadfinderbewegung viele Bünde (aber nicht alle!) im Gruppenrahmen ein eher liberales Verhalten zur Sexualität pflegen. Selbstverständlich nicht im Sinne eines Blüher und seines erotischen Eros (um Himmels Willen!). Aber doch so, dass, unter vielen anderen Dingen, auch die Förderung eines gesundenen Selbstwertgefühles, auch den Körper betreffend, mit zu den Anliegen zählen, die man sich für seine Mitglieder wünscht.

Liebe und Sexualität gehören zu unserem alltäglichen Leben. Eine offene und akzeptierende Einstellung von Seiten der Eltern und anderen Erwachsenen ist grundsätzlich von positiver Bedeutung für die Entwicklung der Sexualität der Heranwachsenden (nach: „Wege finden – Wege gehen“ Führungshandbuch des DPBM).

Wie Sexualität und Körperlichkeit in den einzelnen Gruppen der Pfadfinderbewegung beurteilt, toleriert, befürwortet oder gehemmt werden, ist höchst unterschiedlich und in verschiedensten Schattierungen vorhanden. Eine konservative katholische Gruppe mit strikter Geschlechtertrennung verfährt hier gänzlich anders und hat ein ganz anderes moralisches Empfinden, als es bei einem reformpädagogisch angehauchten Bund der Fall ist.

Natürlich gilt für alle Gruppen und muss für alle Gruppen gelten, dass das Zusammenleben der Menschen und auch ihr „intimes“ Verhalten zueinander nicht zuletzt durch gesetzliche Vorschriften einen klaren Rahmen vorgegeben hat. Dieser Rahmen hat eine Schutzfunktion für die uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen!

So sehr man es sich für seine Mitglieder wünscht, dass diese eine offene, wertschätzende und natürliche Einstellung zu ihrem Körper und ihrer eigenen Sexualität entwickeln, so wenig kann und darf man diese erzwingen.

Weder dadurch, dass die Kinder oder Heranwachsenden „quasi“ gezwungen sind, die entkleideten Körper anderer zu betrachten, noch dadurch, dass sie sich in irgendeiner Form (indirekter oder offener Gruppenzwang) genötigt fühlen, den ihrigen zu zeigen. Auch dauerknutschende Pärchen (gleich welchen Alters) treffen nicht in allen Bünden auf Begeisterung. Nicht zuletzt, weil in dem Maße, wie das Paar aufeinander fixiert ist, die Interaktion mit der Gruppe fast zwangsweise darunter leiden muss. Das hat nichts mit Prüderie oder veralteten Moralvorstellungen zu tun, wenn eindeutige sexuelle Interaktionen während der Gruppenstunden, Fahrten und Lager durch entsprechende Bitten oder Hinweise durch die Verantwortlichen in manchen Gruppen untersagt werden. Die Grenzen, die hier in den einzelnen Gruppen gesetzt werden, hängen neben grundsätzlichen Einstellungen zu Sexualität und Moral, selbstverständlich auch stark vom Alter und der geistigen Reife der Beteiligten ab.

Jeder Gruppenleiter oder Führer sollte sich bewusst darüber sein, dass seine persönlichen Einstellungen zu Fragen von Körperlichkeit und Sexualität nicht ungefragt auf seine Gruppe und deren Zusammenleben übertragen werden können. Weder kann und darf man sie den einzelnen, zumeist noch minderjährigen Mitglieder, aufzwingen; und die Interaktion gegen den Willen der Eltern (das betrifft oft eher ein „zu freizüges“ Verhalten, denn sein Gegenteil) ist von vorneherein zum Scheitern verurteilt, zumindest aber höchst problematisch.

Hoffentlich ist nachvollziehbar und klar, dass es nicht darum geht, mit einer Hardcore-Moralkeule hinzulangen und alles, was eventuell theoretisch irgendjemanden vielleicht problematisch vorkommen könnte, zu unterlassen. Selbstverständlich wäre es überhaupt nicht wünschenswert, wenn unsere Mitglieder ihre Tage bei uns in Vollverhüllung verbringen würden, in der sie sich dann auch waschen und schlafen legen würden.

Es geht also weder um Verleugnung, noch Zwangs-Unterbindung einer jeden Körperlichkeit, sondern nur um einen angemessen sensiblen, selbstreflektierenden und und verantwortungsbewussten Umgang damit.

Körperlichkeit und Sexualität sind ein sensibler Bereich, vielleicht sogar der sensibelste überhaupt. Hierfür ein Bewusstsein zu entwickeln, gehört zu den Aufgaben eines jeden verantwortungsvollen Gruppenleiters. Und das hat nichts mit Prüderie, veralteten Moralvorstellungen oder einem „durch Medien hochgekochtem Generalverdacht“ zu tun.

 

 

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert