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Gedenktag: „Ore“ Hans von Gottberg

Heute vor 35 Jahren, am 15.04.1987, verstarb der Bundesgründer und langjährige Bundesführer des Jomsburg Freier Pfadfinderbund e.V. (damals: Freie Pfadfinderschaft Schleswig-Holstein Gau Jomsburg) „Ore“ Hans-Lorenz von Gottberg, im Alter von 63 Jahren. Er verfasste zahlreiche Jugend- und Abenteuerbücher, am bekanntesten dürfte allerdings sein Handbuch „Fahrten Ferne Abenteuer“ sein. Er veranlasste zudem den Bau der Jugendburg Jomsburg als Bundeszentrum in Schwedeneck/Dänisch-Nienhof und sorgte dafür, dass sie durch die jungen Pfadfinder und ihre Eltern in Eigenleistung gebaut wurde. Aufgrund einer Kriegsverletzung war er darauf angewiesen, die Saiten seiner Gitarre umzuspannen und aus dem Ellenbogen zu spielen, denn sein Unterarm war gelähmt.

Ore, geboren 05.08.1923 in Scherbitzberg bei Jena, war in Pommern aufgewachsen und in Stettin um 1930 als Wölfling in eine Gruppe des Bundes „Sturmvaganten“ gekommen. Sein Onkel Hans-Egon von Gottberg (1891-1914) gilt als einer der deutschen Pfadfindergründer und beeinflusste Ores bündischen Weg schon früh. Der Bund Sturmvaganten war 1927 auf einer Sommergroßfahrt auf den Prinzeninseln im Marmarameer (Türkei) aus Gruppen der „Ringpfadfinder“, der „Deutschen Freischar“ und der „Fahrenden Gesellen“ gegründet worden. Die „Sturmvaganten“ waren ein Großfahrtenbund mit Konzentration auf die Gebiete Pommerns; die Gruppierung im Bereich Stettin hieß Jomsburg (daher der Name des heutigen Bundes). 1934 wurden die Sturmvaganten, wie nahezu alle Pfadfindergruppen, verboten.
Nach Kriegsdienst und russischer Kriegsgefangenschaft während des zweiten Weltkrieges hatte Ore ein Studium in Göttingen begonnen. Dort „wiederbegründete“ er zunächst 1952 die Sturmvaganten. Seine Kriegsverletzung, eine Lähmung der linken Hand, hielt ihn nicht davon ab, weiter Gitarre zu spielen. Er spannte die Saiten einfach um und griff mit der rechten Hand, während er aus dem linken Ellenbogen die Schlagbewegung machte. Dies steht stellvertretend für seinen starken Willen. Ore brach sein Studium ab und bewarb sich erfolgreich bei der Bundeswehr, wo er bis zum Oberst aufstieg. Die militärische Laufbahn (Oberstleutnant i.G.) entsprach einer langjährigen Familientradition. Die Sturmvaganten hatten sich 1957 selbst aufgelöst, bis dahin jedoch ein ein reiches Gruppenleben entfaltet.
1973 hatte sich Ore beruflich in Kiel etabliert. Als sein eigener Sohn ins Pfadfinderalter kam, trat er in einen kleinen Bund in der Nähe von Kiel ein und gründete dort erste Gruppen in Dänisch-Nienhof an der Ostsee. Auf einer Winterfahrt nach Helgoland 1974/75 entschlossen sich dann Jungen und Mädchen dieser Gruppen gemeinsam einen eigenen Bund aufzubauen, so daß als Gründungsdatum der „Jomsburger“ der 01.01.1975 gilt. Innerhalb nur eines Jahres wuchs der Bund auf 300 Mitglieder an. Für seinen Pfadfinderbund suchte er nicht irgendeine Hütte, sondern erfüllte sich den Traum einer eigenen Burg. Und da er keine fand, baute er sie kurzerhand, und das mit jungen Pfadfindern, kaum einer älter als 14 Jahre, und deren Eltern. Sie steht in Schwedeneck bei Kiel und ist als Bundessitz der Jomsburg-Pfadfinder und Jugendburg, die von Gastgruppen genutzt werden kann, mittlerweile über Schleswig-Holstein hinaus bekannt.
In den 70er und 80er Jahren führte Ore legendäre Fahrten im damaligen Jugoslawien und Lappland durch. Bekannt wurde Ore insbesondere als Autor des Pfadfinder-Handbuchs „Fahrten Ferne Abenteuer“, das er ausgiebig selber illustrierte, zuvor schrieb er zahlreiche Jugend-Abenteuerbücher wie den Indianerpauker, geprägt von seiner aktiven bündischen Zeit bei den Sturmvaganten. Er sei ein charismatischer, aber auch ein schwieriger Mann gewesen, verriet seine Enkelin Ulla Doose in einem Zeitungsinterview zum 40 jährigem Bestehen der Jomsburg. Während eines Kornettkurses für Gruppenleiter auf der Jomsburg erkrankte Ore 1987 so schwer, dass er nach wenigen Tagen verstarb. Noch an seinem Sterbebett bat er einen Stammführer, sich des Pfadfinderbunds anzunehmen, und wenige Jahre später wurde dieser dann tatsächlich Bundesführer. Die  Lilie der Jomsburger steht symbolisch für den Zusammenhalt der drei Stämme.

 

 


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Kommentare

10 Antworten zu „Gedenktag: „Ore“ Hans von Gottberg“

  1. Avatar von Bernd Grossmann

    Ein großartiger, engagierter Mann. Der uns damaligen Kindern eine interessante Perspektive der Welt bot. Und der uns schon früh die Vorteile und das Potential von Teamarbeit und Teamgeist vermittelte. Ore und die beiden Stammführer Biber und Thore, sowie Aslak und andere haben meine Jungend, inklusive der großen Lapplandfahrt und dem gemeinsamen Bau der Jomsburg, bereichert.

    Seitdem habe ich Freude an autarken Trekkingtouren auf der Basis einer optimal zusammengestellten Ausrüstung (alles wesentliche am Mann) durch zivilisationsarmes Gelände. Als Selbstversorger und Naturgeniesser. Möge Ore in Frieden ruhen.

  2. Avatar von M
    M

    Ore – ein toller Mensch, der viele Kinder und Jugendliche inspirierte. Seine positive Führungskraft und sein enormes Engagement wirken bis heute nach.
    Ore, Ruhe in Frieden und schau immer gern mal wieder auf die unzähligen aus weit entfernten Gegenden anreisenden Kinder, während sie fröhlichen wunderbare Stunden in unserer Jomsburg- oder in schwarzen Kohten auf der Burgwiese verbringen. Es ist schön zu sehen, dass unser gemeinsames Anpacken und unsere Gemenschaft auch Jahrzehnte danach späteren Generationen zu Gute kommt.
    Ore. ich habe dein ruhiges, liebevolles, freundliches Lächeln vor Augen.
    Du begleitest mich wie ein zweiter Vater und das ist schön.
    Aus tiefstem Herzen: Vielen lieben Dank für die wundervolle gemeinsame Zeit 1975-1979
    Hohe Tannen weisen die Sterne,
    wo der Strom fließt so still durch das Tal,
    wiesen einst uns den Weg in die Ferne,
    grüßen uns nun zum allerletzten Mal

    1. Avatar von Boris Röhling
      Boris Röhling

      Hi M, ich war in einer Wölflingsgruppe mit Volker Salzinger und Sönke Lettau 1975/6/7 dabei. Treff war in dem Ableger in der Holtenauer Str. in Kiel. Wann/wo warst du?
      Gruss
      Boris

      1. Avatar von M
        M

        Goldene Horde, Dänisch-Nienhof

  3. Avatar von Boris Röhling
    Boris Röhling

    Obiges Foto wurde wahrscheinlich vor unserer Grossfahrt nach Lappland 1976 auf dem Blücherplatz gemacht. Mit der Stena ab Frederikshavn ging es über Göteburg durch ganz Schweden mit einer Buskolonne in die Nähe von Jokkmokk. Nach einer Zwischenübernachtung kamen wir an einen herrlichen See/Fluss(?). Dort wurden die schwarzen Kohten mit Dachöffnung aufgebaut. Für die Latrinen hatten wir Löcher gegraben. Morgens gab es frisches Brot aus dem selbsterrichteten Erdofen. Waschen und Trinkwasser kam aus dem See, der etwas frisch war. Das Essen wurde jeden Tag selbst gekocht und aus dem Bundeswehrgeschirr verzehrt. Es gab viele Bundeswehrbestände (Marmelade, Butter, Fleisch etc.). Abends war immer schönes Lagerfeuer mit Gesang. Ore spielte die Guitarre und erzählte Geschichten (George Lukas machte daraus den Film der Ewoks;)). Tagsüber fuhr ein VW-Bus ins nahegelegende Dorf. Hatte man kein Platz gefunden, ging man zu Fuss oder trampte (mit 10 Jahren (!), da es wohl noch keine Kindervergewaltiger, so wie heute gab). Tagsüber gab es Wettkämpfe, Spiele und Naturunterricht. Einmal ging es auf ganztätigen Orientierungsmarsch in die Berge. Dabei verirrten sich 2 Gruppen. Meine Gruppe (unter der Führung eines ca. 14-jährigen) kam erst zur „Dämmerung“ selbst zurück (so gegen 24 Uhr). Eine andere Gruppe blieb verschollen. Am nächsten Tag alarmierte Ore die schwedische Armee, die schliesslich per Hubschrauber am Folgetag die Vermissten gefunden hatten (es gab noch keine Handys oder GPS und die Jungs hatten bei dem Himmelsrichtungskurs wohl gepennt). Dies wurde zweimal in der Tagesschau in Deutschland berichtet (einmal vor Auffinden, was sehr „beruhigend“ für meine Eltern war und einmal nach dem Auffinden). Es waren übrigens auch viele nette Mädels dabei. Die Älteren hatten richtig was drauf und zauberten ordentlich was. Die jüngeren waren sportlich voll dabei. Nach 3 Wochen kam ich sehr glücklich und sicher wieder nach Hause. Zum Glück hatte ich 2 „Affen-„Rucksäcke mit Kleidung dabei. Gem. meiner Mutter hatte ich aber nur den einen aufgemacht. Ich hatte 3 Wochen die gleichen Sachen getragen (inkl. nachts, wenn es kühler war im Bundeswehr-Schlafsack) und nur einmal das Hemd im kalten See gewaschen. Ich roch wohl sehr „naturverbunden“. Es war der schönste Sommerurlaub meines Lebens dank Ore! Im Winter ging es nach Sylt in die Bundeswehrkaserne, Ostern nach Sonderburg und zu Pfingsten begannen wir die Burg zu bauen. Nach über 40 Jahren werde ich nun nach Jokkmokk fahren, ungefähr im Alter vom damaligen Ore…diesmal aber mit GPS…

    1. Avatar von M
      M

      Vielen Dank für den Reisebericht!

      Das Foto auf dem Blücher entstand nach der Rückkehr von der sogenannten Arktis-Großfahrt.
      (Erkennbar am „Pflege-Zustand“ der Mitreisenden.)

    2. Avatar von Thorsten Dahl

      Hallo Boris, da war ich damals auch dabei. An dem See mit den Kohten. Es war wundervoll. Erinnere mich noch heute gern daran.
      Manchmal kam ich an der Jomsburg vorbei, die damals noch auf der anderen Straßenseite gebaut werden sollte. Da hatte ich noch kräftig mit „gebuddelt“. Es war eine wundervolle Zeit. Und das Gitarrespielen, das habe ich mir bis heute bewahrt. Und zufälligerweise bin ich in diesem Moment in Lappland direkt am Polarkreis. Nördlich von Rovaniemi.

  4. Avatar von Siggi
    Siggi

    Siggi
    Ich habe mit Begeisterung und etwas Wehmut über Euch und Hans von Gottberg gelesen, bei dem ich schon Mitte der fünfziger Jahre in Göttingen bei den von Hans gegründeten Sturmvaganten (Gruppe Likkendeler im Stamm Jomsburg) mit etwa 300 Jugentlichen in der Tradition der Bündischen Jugend als „Pimpf“ gewesen bin. Wir haben ihn schon damals sehr verehrt und grossartige, bis heute unvergessliche Fahrten gemacht. Tippender Weise mit Affen und Klampfe. Er war ungewöhnlich charismatisch und sehr überzeugend. Man konnte schon damals sehen, das er später noch großartiges leisten würde. Nach vielen Jahren in Südafrika und seit dem aktiv bei den Nerother Wandervögeln habe ich Hans noch 1975/76 bei Kiel besuchen können. Horrido!!

  5. Avatar von Thorsten Dahl

    Ich habe Hans von Gottberg damals als „Ore“ in Dänisch Nienhof erlebt als ich noch Kind war. Bis heute haben mich die Erfahrungen von damals geprägt. Die Jomsburg habe ich noch auf der anderen Seite der Straße mit gebaut, als wir noch in der alten Schule untergebracht waren. Ich war stolz auf das „Pionier“ und „Feuerwart“-Abzeichen. Die Fahrt nach Schweden und Lappland war einmalig und ich zehre heute noch davon. Mein Vater war als „Teto“ und mit dabei. Heute ist er schon auf die 90 zu. Ich bin wirklich begeistert von dem Erlebten damals. Und Hans von Gottberg wird immer in Erinnerung bleiben.

  6. Avatar von Heinz-Werner Sass
    Heinz-Werner Sass

    Was war ich stolz als ich als Göttinger Schüler die Kluft der Sturmvaganten anziehen durfte. Ich erinnere mich mit Lederhose, Fahrtenmesser grünes Hemd und rotes Halstuch und Affen. Am linken Arm die Sturmvagantenlilie. Sonnabends Treffen am „PP“ Potsdamer Platz und dann Wimpelschlachten im Hainberg mit unserem Gruppenführer „Old Webbel).Ich gehörte zur Gruppe der Späher. Im Anschluss singen im Jugendhaus mit Hans („Ore“). Das war eine Tolle Zeit. Die Auflösung der Sturmvaganten in Göttingen ging vom „Elefantenklo“ (Bismarckstein“) mit einem Schweigemarsch in die Stadt.

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