„Sommerfahrt – Zeit heilt keine Wunden“ ist ein Dokumentationsfilm von Gereon Wetzel, der im Rahmen des Dok.Fest München vor einigen Wochen seine Kinopremiere erlebte und nun am 01.06.2022, 23.00 – 00.25 Uhr erstmals im WDR Fernsehen ausgestrahlt wird.
In den 80er Jahren gehörte der Filmemacher selbst einer kleinen unabhängigen Pfadfindergruppe im Rheinland an, welche an ein Internat des Jesuitenordens angegliedert war. Ab 2011 wurden Missbrauchsvorwürfe an der Schule bekannt, schließlich auch gegen den charismatischen und angesehenen Leiter der Pfadfindergruppe, der bis heute alle Vorwürfe bestreitet.
30 Jahre nach der Türkei-Sommergroßfahrt 1991 traf der Filmemacher seine damaligen Fahrtengenoss*innen der wieder. War es möglich, dass inmitten ihrer engen Gemeinschaft unbemerkt mutmaßlich sexuelle Gewalt ausgeübt werden konnte? Welche Schuld traf die Strukturen und deren Vertreter? Und die schonungsloseste aller Fragen: Welche Schuld traf sie selbst?
Vorsichtig tastet sich Gereon Wetzel an die Vergangenheit heran. „Zwischen rosaroten Brillen, zaghaften Erinnerungsversuchen, scharfer Analyse und einem Jahrzehnt der persönlichen Aufarbeitung tut sich ihnen ein Abgrund auf, als sie ihre gemeinsame Sommerfahrt in die Osttürkei erneut in den Blick nehmen.“ (WDR)
Entstanden ist eine beeindruckende Dokumentation, bei der die Menschen im Mittelpunkt stehen, aus deren Schilderungen sich das Puzzle der Strukturen und Systeme von mutmaßlich psychischem und sexuellem Missbrauch entfaltet. Und dann bleibt einem die Luft weg.
Das Premierenpublikum in München war sich uneins, ob diesem Film gerade auch Heranwachsende sehen sollten – denn das waren ja auch die Teilnehmer der Sommerfahrt ’91 selbst – oder ob er eher geeignet sei, falsche Vorstellungen bei Älteren auszuräumen. Die Möglichkeit, mit dem Filmemacher über den Film zu diskutieren, wurde bei der Weltpremiere in München rege genutzt.
Produziert wurde der Film von Südkino Filmproduktion GmbH. In der Mediathek des WDR ist er auch nach dem Ausstrahlungstermin einsehbar. Absolut sehenswert, gerade im Rahmen einer Gruppe. Denn es gibt anschließend Gesprächsbedarf.
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