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Bericht vom Schmeckenbecher-Konzert

Ich war vierzehn, mein Musikgeschmack war noch nicht klar definiert und so lieh ich mir in der Stadtbücherei querbeet Kassetten aus. Irgendwo zwischen den knalligen Covern von Madonna und Michael Jackson stieß ich auf die „Jiddischen Lieder“ von der Gruppe Zupfgeigenhansel. Ich war direkt nach dem ersten Anhören hingerissen. Es sollte die einzige Kassette bleiben, bei der ich die Frist zur Ausleihe mehrfach verlängerte und sie mir schließlich überspielte. Und im Rückblick , jetzt nach dem Konzert von Erich Schmeckenbecher, dem beizuwohnen ich die Freude hatte, wurde mir erst wirklich bewusst, dass nahezu jedes der Lieder in meiner 36jährigen „Pfadfinderkarriere“, die mir direkt beim ersten Hören gefielen und mich fesselten und nicht mehr aus dem Kopf gingen, einen direkten oder indirekten Bezug zu Erich Schmeckenbecher beziehungsweise dem Duo Zupfgeigenhansel (Erich Schmeckenbecher und Thomas Friz) aufwiesen. „Andre, die das Land so sehr nicht liebten“, „Der Krampenschlag“, „Trinklied vorm Abgang“, „An der Allee“… die Liste lässt sich fortsetzen, ganz zu schweigen von der Wiederbelebung so manchen Volksliedes.  Die Freie Jugendherberge Schloss Martinfeld, deren Trägerverein aus Angehörigen insbesondere der Pfadfinderbewegung besteht, hatte den Konzertabend ausgerichtet. Um die 80 Personen waren der Einladung gefolgt, sehr viel mehr passen auch nicht in den dortigen Gewölbekeller. Dieser war dann auch Grund für einen besonders stimmungsvollen Abend, denn die hohe Luftfeuchtigkeit und schlagartig ansteigende Temperatur machten es den Gitarren schwer; zugegebenermaßen ist andererseits der Klang in diesem Gewölbe besonders gut.

Was soll ich nur sagen, ich war mit dem Anschlagen der ersten Seite  sofort gebannt und schwer sentimental, lag vielleicht auch daran, dass Erich Schmeckenbecher mit einer Neuvertonung von „An der Allee“ startete. Der Schwerpunkt des Abends lag jedoch bei seinen neueren Liedern, die hier rein mit Gitarre begleitet dem ein oder anderen Puristiker besser gefallen haben könnten, als auf seinen CDs, wo durchaus auch Schlagzeug oder E-Gitarre zum Einsatz kommen. Nun war Erich Schmeckenbecher vom Herbergsvater „gebrieft“ worden, dass auch einige im Publikum säßen, die selbst gern sängen. Dennoch hatte ich den Eindruck, dass er überrascht war, was geschah, nachdem er zu  „Ein stolzes Schiff“ das Publikum aufgefordert hatte: „Wenn ihr mitsingt, merkt man nicht, dass die Klampfe verstimmt ist“. Es ist wohl das eine, zu wissen, dass man ein Künstler ist, der sein Publikum findet, aber ein anderes, wenn dieses auf Anhieb in erträglicher Qualität mithalten kann und offenbar Textsicherheit offenbart. Was da zunächst mit einem zurückhaltenderem „Schön“ von ihm quittiert wurde, fand dann im Laufe der laaangen Singerunde nach dem eigentlichen Konzert gegen zwei Uhr morgens noch zu einem ausführlicherem Satz: „Klar, die Gesangsqualität ist unterschiedlich. Aber so etwas habe ich noch nie erlebt.“ Welch eine Rückkopplung zwischen Künstler und Publikum.

Es dürfte kaum jemanden geben, der in den Liederbüchern der Pfadfinder- und Jugendbewegung öfter vertreten sein dürfte, als Erich Schmeckenbecher. Gerade während des Bestehens des Duos Zupfgeigenhansel eroberte er sich mit der Vertonung von Texten Theodor Kramers einen festen Platz in unserem Liedrepertoire. Der „gefühlvolle Grantler und Grübler“ (Musikwoche) und politische Idealist mit Haltung gehörte in den Siebzigern zu den Wegbereitern der Folk-Szene. Und hat uns immer noch was zu sagen. Ich würde mich wundern, wenn ich die Einzige wäre, die an diesem Abend bei dem ein oder anderen neuen Text aufmerkte und den Vorsatz fasste, sich diesen mitsamt der Akkorde schnellstmöglich zu besorgen und in die eigene Gruppen hineinzubringen. Ein unendlich großes Dankeschön an Erich Schmeckenbecher. Ich persönlich fände es großartig, würde er das Ganze baldmöglichst wiederholen. Es gibt ja wohl irgendwo im / am Schloss einen anderen, weniger gitarrenquälenden Raum (wobei die meisten im Publikum am Gitarrenklang auch jetzt schon nichts aufgefallen ist, aber das reicht ja nicht aus, wenn der Künstler Qualen leidet. Zumal wenn es ein so netter ist).

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