Abwägungskriterien Corona

Manche finden es gut, dass Veranstaltungen abgesagt werden, andere regen sich über übertriebene Panikmache auf und pflegen Feindbilder („German Angst“). Anlass genug, den Erkenntnisstatus einmal zusammenzufassen. Bitte beachtet, dass die folgenden Infos auf derzeit aktuellem Erkenntnisstand und ohne Gewähr zusammengetragen wurden. Aktuelle Infos gibt es auf den Seiten des RKI und des Bundesgesundheitsministeriums.

Das Problem bei einer Infektion mit dem Coronavirus (auch SARS-CoV-2 genannt; die Krankheit, welche das Virus auslöst, heißt Covid-19 ) ist, dass man erste Krankheitszeichen nach derzeitigen Erkenntnissen (02.03.2020) erst nach bis zu 14 Tagen (im Schnitt gemäß WHO nach 5 bis 6 Tagen) entwickelt, aber bereits vorher selbst andere infizieren kann. Zur Eindämmung der Krankheit stellt man Personen, die mit einem Verdachtsfall persönlich engeren Kontakt hatten, unter häusliche Quarantäne – zunächst, bis das Testergebnis vorliegt. Liegt tatsächlich eine Infektion bei der Kontaktperson vor, so umfasst die Quarantäne bis zu 14 Tage. Für diesen eventuellen Fall haben vorsorgliche Bundesbürger sämtliche Toilettenpapier und Nudel- sowie Tomatenmarkvorräte der Supermärkte in den letzten Wochen aufgekauft. Einen Vorratskalkulatior gibt es hier.

Möchte man die Recherche-Arbeit erleichtern, führt man natürlich akripisch Buch über alle Personen, mit denen man in den letzten 14 Tagen engeren Kontakt hatte, bestenfalls direkt mit Anschrift und Telefonnummer 😉 Und da wären wir auch direkt beim Problem der Teilnahme an Großveranstaltungen und Reisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

Die Übertragung des Virus erfolgt besonders über Tröpfcheninfektion direkt von Mensch-zu-Mensch oder über die Hände. Auch auf Oberflächen kann sich das Virus einige Tage halten – die Übertragungswahrscheinlichkeit ist da aber erheblich geringer. Ob SARS-CoV-2 auch fäkal-oral verbreitet werden kann, ist noch nicht abschließend geklärt, scheint aber keine größere Rolle zu spielen.

Hier setzen auch empfohlene Schutzmaßnahmen an: Niesen und Husten bitte nicht in die Hände oder in ein Taschentuch, sondern in den Ellenbogen. Hände ganz regelmäßig, besonders nach Kontakt nach „außen“ und zu Menschen, ausgiebig mit Wasser und Seife waschen (Dauer: 2x Happy Birthday singen). Auch aufs Händeschütteln sollte verzichtet werden. Generell sollten Menschen, die an einer Atemwegserkrankung leiden, nach Möglichkeit zu Hause bleiben. Ein Abstand von 1-2m zu Erkrankten ist einzuhalten – schadet aber grundsätzlich nichts. Andere Menschen sind ganz grundsätzlich Virenschleudern, weiß man ja. Zugegeben kann man sich nicht bei sich selbst anstecken.

Typische Symptome von Covid-19 gemäß WHO sind:
Fieber (87,9 Prozent)
Trockener Husten (67,7 Prozent)
Abgeschlagenheit und Müdigkeit (38,1 Prozent)
Auswurf (33,4 Prozent)
Atemnot (18,6 Prozent)
Halskratzen (13,9 Prozent)
Muskel- oder Gelenkschmerzen (14,8 Prozent)
Schüttelfrost (11,4 Prozent)
Übelkeit (5,0 Prozent)
Verstopfte Nase (4,8 Prozent)
Durchfall (3,7 Prozent)
Bluthusten (0,9 Prozent).

Die Erkrankung verläuft bei älteren (60+) Menschen schwerer, als bei jüngeren. Auch bestimmte vorhandene Vorerkrankungen führen oft zu einem komplikationsreichem Verlauf: Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronische Atemwegserkrankungen und Krebs. Bei jüngeren, gesunden Personen ist der Verlauf von Covid-19 milder. Über alle Altersgruppen hinweg haben laut WHO aber achtzig Prozent einen milden bis moderaten Krankheitsverlauf.

Was Veranstaltungen betrifft, so steigt das Ansteckungsrisiko natürlich, wenn viele Menschen auf engem Raum beisammen sind. Deswegen ist (derzeit) vorgesehen, Veranstaltungen mit über 1000 Teilnehmern generell abzusagen. Auch Messen, bei denen aus vielerlei unterschiedlichen Gegenden Personen zusammenkommen, wurden sicherheitshalber abgesagt. Reisen in Infektionsgebiete werden gleichfalls nicht empfohlen-.

Man hofft darauf, dass mit steigenden und sommerlichen Temperaturen das Virus auf seinen „natürlichen Feind“, nämlich: Sonnenschein und viel draußen unterwegs sein statt in engen Räumen trifft. Wissen tut man das mitnichten.

Wer die Erkrankung durchgestanden hat, ist anschließend immun!
Weitere Fragen und Antworten finden sich hier.

Zum Abwägen, ob man zu einer Veranstaltung oder ein Treffen mit mehreren hundert Menschen gehen möchte oder einen Ort, wo sich mehrere hundert Menschen auf engerem Raum (Abstand >2m) aufhalten, stellen sich beispielsweise folgende Fragen:
Habe ich eine Vorerkrankung oder bin ich älter als 60 Jahre? – dann vielleicht lieber nicht!
Hatte ich in den letzten 14 Tagen Kontakt zu einem Verdachtsfall oder Infiziertem? – dann definitiv nicht!
Treffe ich in den darauffolgenden 14 Tagen auf engerem Raum auf Personen über 60 Jahren oder solche mit Vorerkrankungen? – dann vielleicht lieber nicht!
Bin ich eher ein ängstlicher Typ? – dann definitiv nicht!
Bin ich ein obrigkeitshöriger/vernünftiger/… Mensch? – dann sage ich sowieso bis Sommer alles ab, was nicht sein muss! Es sei denn, es geht um die Tätigkeit in meinem Betrieb oder die Fahrt zur Arbeit oder die Schulpflicht. Der Betrieb entscheidet allwissend, welche Termine wo sein müssen und welche nicht.
Bin ich bereits immun? Dann definitiv ja.

Ist man hingegen Veranstalter, so nimmt man mit dem zuständigen Gesundheitsamt Kontakt auf und lässt sich fachkundig beraten. Hier stellen sich Varianten derselben Fragen:
An welche Altersgruppe wendet sich die Veranstaltung? Sind Risikogruppen anwesend?
Wie groß ist die Gruppe?
Ist sie homogen aus einer Gegend /Familie oder bunt überregional zusammengesetzt? Kann ich sicherstellen, im Nachhinein alle zu erreichen?
Besteht die Möglichkeit, Sicherheitsabstände von 1-2m einzuhalten?
Kann ich die Teilnehmenden hinsichtlich Schutzmaßnahmen informieren und von deren Einhaltung ausgehen?
Findet die Veranstaltung unter freiem Himmel statt oder in einem geschlossenem Raum mit höherem Übertragungsrisiko?
Möchten die Leute in Hinblick auf das Infektionsrisiko überhaupt noch kommen?
Bin ich bereit, die Verantwortung dafür zu tragen, wenn es bei meiner Veranstaltung zu einer Übertragung kommt?

Tja, gerade der letzte Punkt – es gibt eben keine Sicherheit – dürfte zur Absage noch vieler weiterer Veranstaltungen führen. Die Pfadfinder- und Jugendbewegung ist eben nicht so risikofreudig wie Schulen, Kindergärten und Betriebe.

Die Verfasserin hat mehrere Jahre in der Gesundheitskommunikation, auch Fachkommunikation, gearbeitet. In einer groß angelegten Computersimulation zur Verbreitung einer Pandemie war um 2000 das Ergebnis, dass es vollkommen egal ist, welche der Maßnahmen Quarantäne, Ausgehverbot, Reiseverbot … man als Gesundheitsbehörde ergreift, Hauptsache schnell und konsequent. Die saftige Kritik eines Autor unter heise.de zielt in eine ähnliche Richtung: Nur um es der Bevölkerung nicht „unbequem“ zu machen, würden wichtige Maßnahmen viel zu spät ergriffen. Eine wesentliche Latte für den Autor Alexander Unzicker ist, ab welchem Zeitpunkt der expotentialen Verbreitung des Virus nicht mehr genügend Quarantäne-Intensivbetten für diejenigen Erkrankten zur Verfügung stehen, die intensivmedizinischer Betreuung bedürfen. Und dieser Zeitpunkt dürfte nach seiner Berechnung schneller kommen, als viele derzeit hoffen. Und wenn er dann erreicht ist, werden sprunghaft zunehmende Todesfälle leider nicht mehr auf sich warten lassen. Und diese Patienten sterben dann nicht nur an Covid-19, sondern auch an ausbleibender intensivmedizinischer Behandlung.

Die Autorin hat leider keine engen lebenden Angehörigen mehr, die in Risikogruppen fallen. Deshalb sieht sie dem weiteren Fortschreiten der Krankheit mit Fatalismus entgegen und plädiert dafür, alle Personen, die an Krankheiten erkrankt sind, gegen die sie sich mit einer Impfung hätten schützen können, an Krankenhäusern abzuweisen, wenn die Betten für COVID-19 knapp werden. Es liegt in der Natur der Dinge, dass Viren mutieren – und je mehr Menschen auf engem Raum zusammenleben und je mehr überregionale Kontakte bestehen – desto schneller und heftiger schlagen Pandemien eben zu.

Bild: rdp (Jamboree – glücklicherweise schon letztes Jahr gewesen)

 


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