Leserbriefe der Ausgabe 01-12

Praxis Paragraphenreiterei für Pfadfinder
scouting 04-11, Seite 41
Lieber Pauli,
zunächst generell Dank für die scouting und für die immense Arbeit, die Du da hineinsteckst. Ein paar Bemerkungen:
Über die GEMA (in 04/11) ist augenscheinlich nicht von einem Fachmann geschrieben worden und ist eher dazu geeignet, die generell bei Bündischen vorhandene Ur-Angst vor dieser Rechtsorganisation (und vor dem Urheberrecht allgemein) zu verstärken, als Verständnis für diesen ,,furchtbaren“ Laden zu wecken. Natürlich sind GEMA-Gebühren so unbeliebt wie Steuern, aber über die Mehrwertsteuer oder die Kraftwagensteuern redet kein Mensch, obwohl sie weit höher sind als GEMA-Gebühren. Aber vor allem schmeißt der Autor dieses Artikels Abdruckgebühren etwa für Lieder mit den GEMA-Gebühren durcheinander; das erstere aber sind dem freien Handel unterliegende Verlagsgebühren höchst unterschiedlicher Höhe (freier Handel), das zweite sind gesetzlich tarifgeregelte Gebühren für musikalische Aufführungen (also Konzerte) und mechanische Vervielfältigungen (also Schallplatten, Musikkassetten und CDs); bei Konzerten sind Veranstaltungen der Jugendpflege und der Schulen weitgehend ausgeklammert. Was
neulich durch die Presse ging, dass nun auch Kindergärten GEMA-Gebühren zu zahlen
hätten, war eine völlig verdrehte Notiz eines von jeglicher Fachkunde unbeleckten Journalisten und schlichtweg unwahr, aber die Richtigstellung druckte natürlich keine Gazette mehr ab. Und die GEMA hat mit Abdrucken schlichtweg nichts zu tun.
Ein weiteres: Ich Iese eine Reihe hübscher Artikel in scouting bei denen aber kein Name
des Schreibers steht. Das fiel mir natürlich als erstes auf (man ist ja eitel) bei der Rezension über das Vorwärts-Liederbuch, dann sah ich aber weitere (Rezension Oss Kröher z.B.). Wäre eigentlich schön, wenn man profunde Worte auch mit Namen verbinden könnte. Schließlich noch generell: Es fiel mir besonders bei den Berichten über die Singewettstreite auf, aber dann auch allgemein, dass viele Aufsätze generell übermäßig unkritisch sind, sozusagen Selbstbeweihräucherungen a Ia Friede, Freude, Eierkuchen. Dabei ist die Welt der jungen Menschen überhaupt nicht so und verträgt eine kritische Betrachtung durchaus. Dass zum Beispiel das Niveau der Singewettstreite durchweg geradezu alarmierend gesunken ist, beklagt jeder zweite bei den Veranstaltungen selbst, aber in den Berichten liest man nichts darüber, und eine kritische Diskussion über die Ursachen findet nicht statt. So auch bei vielen Fahrtenberichten, da ist’s dann der Nudeleintopf, der besonders gelungen ist. Ich weiß natürlich, dass es für junge Menschen, die gerade noch mit dem Niveau des deutschen Erlebnis-Schulaufsatzes kämpften, schwierig ist, eine Kritik in treffende Worte zu fassen, aber man könnte mal auf dieses Problem achten. Dazu gibt es ja eine Redaktion.
Herzlich Helm

Kommentar von Almi: ,,Aufruf zur Fahrt anlässlich des 100.Jahrestags“
Zu scouting 04/11, Seite 55
Sehr befremdet lese ich neben dem Aufruf des Ringes junger Biinde Hessen e.V. zu sei-
ner Gedenkveranstaltung 2013 zum Meißner 1913 – dieser Veranstalter ,,RjBH“ wird nicht
einmal namentlich erwähnt! – verleumdende Unterstellungen, die sich Vertreter der ANTIFA, die sich nämlich gut informieren, nie erlauben würden.
1. Unterstellung: ,Gegenveranstaltung revisionistischer Gruppen“
In ldee und Bewegung Heft 95 habe ich (Gerhard Neudorf) die Veranstalter, wie folgt, beschrieben: ,,Wer ist der Ring junger Bünde Hessen e.V.?
Er besteht aus
– religiös verwurzelten Bünden, von denen nicht wenige verantwortlich bei Evangelischen Kirchentagen mitwirkten
– der Jugendbewegung zugehörenden Bünden, die mit dem Motto ,,Jugend in Bewegung“
dem Meißnerfest 1913 gerecht werden.
– freiheitlich gesinnten Bünden, die das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland achtende Bünde zur Teilnahme einladen.
– europäisch, fortschrittlich und konservativ denkenden und Frieden unterstützenden
Bünden, die gemäß der neuen Zeit auch europäische Gruppen, vielleicht auch darüber hinaus, einladen wollen.“
Den in scouting zitierten Aufruf entnahm Almi wohl der von mir herausgegebenen Zeitschrift ,,ldee und Bewegung“, in der auch die obige Beschreibung der Bünde zu lesen war. Wie kommt sie zur Ausblendung meiner Darstellung des RjBH? Welche Vorurteile treiben sie? Den Lesern von scouting teile ich noch mit, was ich zuvor an gleicher Stelle als Bedeutung des Meißnerfestes 1913 beschrieben habe:
Weltweite Beachtung verdient, dass 1913 eine Jugendbewegung wohl erstmals in der
Weltgeschichte fiir Selbstbestimmung und gesellschaftliche Mitverantwortung mit strengen moralischen Selbstbeschränkungen auf einem großen eigenen Fest eingetreten ist.
Heute, 100 Jahre danach, ist die Welt zusammengerückt. Wie wir heute von den Protestbewegungen der Welt, so kann diese durch uns von einer friedfertigen deutschen
Jugendbewegung erfahren.
Bei der Meißnerwanderung und den weiteren Veranstaltungen handeln Gruppen und Bünde des RjBH (und weiterer noch unbekannter hinzustollender interessierter Bünde und Gruppen) im Geiste der Meißnerformel ,,aus eigener Bestimmung“, ,,vor eigener Verantwortung“ und ,,in innerer Wahrhaftigkeit“. Keine dieser Gruppen wünscht sich Verbrechen der Nazi-Zeit zurück – eine absurde Vorstellung! Sie fühlen sich der demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet und bemühen sich um eine lebendige und verantwortliche Jugendgruppenarbeit, ebenso wie die Veranstalter des großen Lagers, aber vermutlich noch zusätzlich aus christlichen Motiven heraus.
2. Unterstellung ,deutschlandeigene Problemfä|le“
Wer hat denn diese ,,Problemfälle“ geschaffen? Wer anders als die Mehrheit des ,,offiziellen Meißnerlagers“? Ihre Unterstellungen diskriminieren Bünde, die im Wesentlichen das Gleiche tun wie die ausschließenden Bünde: z. B. Wandern, Singen, Tanzen, sich Gedanken-Machen. Wie unproblematisch dieses Miteinander ist, zeigt das zweijährige Bauen am Enno-Narten-Bau auf Burg Ludwigstein, wo Gruppen und Einzelne aller Bünde, der ausschlielsenden wie der ausgeschlossenen, harmonisch an einem Werk mitwirken. Wer weiß, wie diese Mehrheit des offiziellen Meilsnerlagers zustande kam, nämIich ohne Mitgliederbefragungen, sollte auch wissen, wie schlecht es um die demokratischen Einstellungen ihrer Mehrheitsführer bestellt ist.
Angstmache dieser Mehrheitsführer, wenn man sich mit ,,rechten“ Bünden treffe, könnten eigene junge Mitglieder beeinflusst werden, und Bünde könnten eine schlechte Öffentliche Resonanz erhalten, haben, so erscheint es vielen Außenstehenden und auch mir, die meisten jungen Bundesführer in die Enge getrieben, denen an einem schönen gemeinsamen Lager gelegen ist und die nach jahrelangen Diskussionen keine neuen mehr
wollen, um sich den Inhalten des eigentlichen Lagers widmen zu können.
Seither stimmten die Bünde überein, dass jeder sich zur Demokratie bekennende Bund das Recht aufeigene Gestaltung und eigene Verantwortung habe und auf seine Art und Weise das Gesamtbild heutiger Jugendbewegung bereichere. Der Tradition der Jugendbewegung widersprechend und neu ist der Ausschluss von Bünden aufgrund focussierter historischer vor allem Internet-Recherchen, deren heutige junge Gruppen mit ihrer anspruchsvollen kulturellen Arbeit und ihrer Gewaltfreiheit jedem objektiven Beobachter offen vor Augen stehen. Meiner Auffassung nach sind die wirklichen Problemfälle die wegen ihrer ideologischen Scheuklappen den Ausschluss anderer betreibenden Bünde, die Deutsche Freischar, der Deutsche Pfadfinderbund, der Zugvogel.
Auch ich persönlich musste ihre Gegnerschaft zur Meinungsfreiheit erleben. lm Februar 2011 nahm die Bundesführerversammlung zur Vorbereitung des Meißnerfestes 2013 auf Schloss Martinfeld meinen Antrag an, eine vorher nicht vorgesehene Arbeitsgruppe über gesellschaftliche Fragen zu bilden. Für mich überraschend kamen recht viele Teilnehmer zu dieser Arbeitsgruppe. Dass fast alle den drei genannten Bünden angehörten, merkte ich erst später. Der selbsternannte Protokollführer musste wiederholt gebeten werden, Vorschlage zu notieren. U.a. wehrte er sich dagegen, Forderungen an die Gesellschaft aufzunehmen. Wen wundert es, dass ich an dem von manipulierenden Biinden beherrschten großen Lager nicht mehr teilnehmen möchte?
3. Unterstellung, bestimmte extremistische europäische Gruppierungen würden von den Veranstaltern eingeladen.
Jene Almi hätte keine Schwierigkeit gehabt, sich von den Sprechern des Ringes junger Bünde Hessen Informationen einzuholen, über die Teilnahme welcher europäischen Gruppierungen im RjBH nachgedacht wird.
Deutlich wird ihre Absicht, Unrat zu verbreiten, mit der Tendenz des Rufmordes.
4. Unterstellung, Bünde und Gruppen des RjBH-Lagers wollten am Donnerstag das
große Lager besuchen.
Geplant ist eine Wanderung der an der RjBH-Veranstaltung teilnehmenden Gruppen und Bünde am Donnerstag von Burg Hanstein (Anreise am Mittwoch) zur Burg Ludwigstein, am Freitag Weiterwanderung zum Hohen Meißner mit einer Abschlussveranstaltung am Samstagabend. Am Sonntagmorgen bleibt Zeit für Gruppen und Bünde, die das wollen, die Abschlussveranstaltung des Großlagers zu besuchen.
Wer will, kann sich zwecks weiterer Informationen z. B. an
Nils Herrmann, den 1.Sprecher des Ringes junger Bünde Hessen e.V., wenden;
seine E-Mail-Adresse lautet:
n.c.herrmann@gmx.de.
Ich denke, viele Bünde und Gruppen des RjBH finden das seither geplante Großlager wegen fehlender jugendgemäßer und ideeller Inhalte nicht anziehend, sie sehen es nicht als Konkurrenz, sondern sie wollen, wie oben ausgeführt, nach der Meißnerformel ,,aus eigener Bestimmung…“  handeln. Der Weg ist ihr Ziel.
Gergard Neudorf (Wandervogel, D.B. Langen und Kulturinitiative)

Stellungnahme
Da ich persönlich als Autorin angesprochen wurde, antworte ich gern selbst. Ich widerspreche Gerhard nur ungern, da ich ihn als Menschen, der sich eigene Gedanken‘ macht, schätze. Dennoch: Meine Quelle war nicht sein Artikel aus der „Idee&Bewegung“, sondem die mir zur Veröffentllchung zugesendete offizielle Einladung des rjb Hessen. Zudem war mir Gerhards Artikel unbekannt, ich habe also keine Ausführungen unterschlagen. Auch hatte ich sehr wohl, wenngleich nur indirekt, auch den Einlader genannt (zum nachlesen: Zeile zwanzig).
Vor allen Dingen ist aber darauf hinzuweisen, dass Anführungszeichen – neben
einer reinen Zitatfunktion – im Deutschen ,,… außerdem dazu verwendet werden, um Wörter, Wortgruppen und Teile eines Textes oder Wortes hervorzuheben, zu denen man Stellung nehrnen möchte, über die man eine Aussage machen will oder von deren Verwendung man sich – etwa ironosch oder durch die Unterlegung eines anderen Sinns – distanzieren möchte.“ (Quelle: wikipedia).
Daraus kann man letzt schließen, dass ich Gerhards Position zwar nicht gänzlich teile, ich Ihr aber längst nicht so konträr gegenüberstehe, wie er nach der Lektüre meines latent ironischen Artikels glaubte. Ob lronie angesichts der ernsten Fragestellung angemessen ist, dieser Frage muss ich mich in der Tat stellen. Mehr Hintergründe zum historischen und aktuellem Meißnerlager glbt es übrigens in dieser Ausgabe, deshalb verzichte ich an dieser Stelle darauf
Almi

Quelle: scouting 01-12

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