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Achtung! Anvertraut und ausgeliefert!

Ein zugesendeter Bericht von Andy (Bundesleiter des BjN e.V.) zum Infotreffen des Präventionsrates des Deutschen Pfadfinderbundes vom 31.03.-02.04.2017 auf Schloss Martinfeld:
„Im Januar auf dem 6. Netzwerktreffen des Arbeitskreises „Tabubruch“ in Glinde bei Hamburg, machte Holger Specht (Bundesvogt DPB) auf diese Schulung des DPB-Präventionsrates aufmerksam und teilte mit, dass hier auch Menschen aus anderen Bünden teilnehmen dürfen.

Da Netzwerkbildung wichtig ist und dieses Thema jeden Bund bewegen sollte, machte ich mich am 31.03.2017 auf den Weg nach Thüringen zum Schloss Martinfeld. Wie war es auch anders zu erwarten, wurde ich bereits in der Hofeinfahrt in Empfang genommen. Hier treffen sich also die Aktiven aus den Berliner Bünden?

Nach unzähligen netten Begrüßungen und Vorstellungen gab es noch etwas leckeres zu essen und der Programmablauf für das Wochenende wurde kurz vorgestellt. Der Abend endete mit selbstgemachter Musik und interessanten Gesprächen, bis ich mich dann ins Zimmer des spuckenden Löwen zum schlafen zurückzog. Jedes Schlafzimmer der Jugendherberge hat wohl ein anderes Wappen an der Wand?

Am Samstag Morgen wurden wir alle mit sanften Klängen aus den Schlafsäcken geworfen, denn das Frühstück stand kurz bevor. Anschließend sollte dann die Schulung mit dem ersten Thema „Macht und Machtmissbrauch“ starten. Ein sicher nicht ganz einfaches Thema, da Macht nicht immer positiv gebraucht, sondern eben auch negativ missbraucht werden kann. Die Grenzen scheinen oft fließend zu sein, was es nicht unbedingt einfacher beim Umgang macht. Anhand von Fallbeispielen und einem Machtbarometer wurden verschiedenste Situationen ausgelotet und anschließend besprochen.

Die verschiedensten Arten und Begriffsdefinitionen wurden vorgestellt und erklärt. Auch hier verliefen die Einstufungen teilweise sehr schwammig. Besonders die Grenzverletzungen und die situativen Missbräuche scheinen nicht so ganz eindeutig trennbar zu sein. Strukturierter Missbrauch, von dem man meist erst in der Presse erfährt, scheint eindeutig in der Absicht zu sein.

Zur Differenzierung der sexualisierten Gewalt gibt es daher die strafrechtliche Einteilung nach Grenzverletzung, Übergriff und Missbrauch.

Ebenfalls wichtig, wenn auch beunruhigend waren folgende Themeninhalte: Wer sind die Täter? Wie alt sind sie und wonach suchen sie gezielt? Wie sehen die Gerichtsurteile zu solchen Taten aus? Wie bauen Täter ihr System auf und gibt es auch Tätergruppen, oder gar systematische Strukturen?

Es wurde leider immer schwieriger, denn nun wurde es mittels Rollenspiele realer und praktischer. In Gruppen eingeteilt, wurden wir einer direkten Täter-Konfrontation ausgesetzt. Aufgabe war es nun, in einem ganz normalen Verein oder Bund als Führungskraft, ein Gespräch mit einem Menschen unter Verdacht zu führen. Ohne viel Vorbereitung wurden wir dieser direkten Situation ausgesetzt und mussten handeln. Ruhe bewahren war hier wohl die beste Lösung, doch dagegen arbeitete der Verdachtsmensch stetig und versuchte seinerseits den Spieß umzudrehen. Im Anschluss fanden noch die Gruppen-Reflektionen statt, die Licht ins Dunkel brachten.

Nachdem dies nun alles geklärt war und Fragen beantwortet wurden, ging es thematisch mit noch unschöneren Statistiken weiter. Wer und in welchem Alter sind die Betroffenen? Wo finden die Übergriffe statt? Und vor allem, wie fühlen sich die Betroffenen nach einer solchen Handlung? Das sollten wir nun ganz schnell merken, denn ein zweites Rollenspiel stand auf dem Programm. Hier war die Situation, dass sich ein Betroffener versucht zu offenbaren, was ihm akustisch nicht gut gelang. Die Aufgabe war nun möglichst zu erkennen was er will, ohne dabei zu bewirken, dass er sich verschließt oder gar mit dem Anvertrauen aufhört. Wie geht man mit solchen Situationen um und wie interveniert man in solchen Fällen richtig? Auch diese Fragen wurden besprochen und in der Gruppe reflektiert. Vertrauenspersonen in den Bünden scheinen eine gute Anlaufstelle zu sein!

Mit dem auch sehr wichtigen Thema der unschuldigen Menschen unter Verdacht, sowie den falsch interpretierten Einschätzungen und Fehlbeschuldigungen im Zusammenhang mit einer möglichen Rehabilitation endete die geballte Ladung an Input für den Samstag. Trotz der Masse an Informationen wurde es zu keinem Zeitpunkt zu viel oder langwierig, denn man merkte sofort, das Team des Präventionsrates hat dem durch viel Abwechslung und interaktiven Mitwirken der Teilnehmer/-innen entgegengewirkt. Niemand fühlte sich überladen, aber brauchte trotzdem noch seine Zeit, um alles sacken zu lassen.

Der Abend endete mit einem sehr einfühlsamen Film, welcher das Verarbeiten eines Missbrauchsopfers über viele Jahre schildert und für den Zuschauer augenscheinlich keine leichte Kost war. Anschließend versuchten wir zusammen bei Musik und Kerzenschein abzuschalten und an die positiven Dinge des Lebens zu denken.

Sonntag Morgen nach den sanften Klängen und dem Frühstück wurden noch einige Themen angerissen, die man mal gehört haben sollte, aber die den Rahmen eines Präventions-Wochenendes sprengen würden. Hier ging es hauptsächlich um Gesetzestexte, Straftaten, erweiterte Führungszeugnisse und dem Bundeskinderschutzgesetz. Spannend waren jedoch noch die zusammengetragenen Rituale und deren Wirkung auf die betroffene Person und die Gruppe. Ebenfalls wurde über die Einarbeitung des Schutzkonzeptes in das bevorstehenden DPB-Bundeslager diskutiert.

Gegen Mittag endete das arbeitsreiche Seminar-Wochende, diesmal nicht mit einem Szenen-Applaus, sondern mit einer abschließenden Feedback-Runde und einem nicht aufhörenden Abschlussapplaus für das Team des Präventionsrates des Deutschen Pfadfinderbundes.

Das nächste überbündische Seminar zu diesem Thema wird das Tabubruch-ÜT-Treffen im Juni sein. Bis dahin, allzeit bereit! ;)“

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